Johann Heinrich Füsslis Frauenbilder im Kunsthaus Zürich
Mit «Füssli. Mode - Fetisch - Fantasie» zeigt das Kunsthaus Zürich ab dem morgigen Freitag faszinierende bis verstörende Frauenzeichnungen des Schweizer Künstlers Johann Heinrich Füssli (1741-1825).
Mit «Füssli. Mode - Fetisch - Fantasie» zeigt das Kunsthaus Zürich ab dem morgigen Freitag faszinierende bis verstörende Frauenzeichnungen des Schweizer Künstlers Johann Heinrich Füssli (1741-1825).
Vieles deutet darauf hin, dass Füsslis Darstellungen von Frauen zwischen geheimnisvoller Anmut und totaler Überlegenheit zu seinen Lebzeiten kaum jemand gesehen hat. «Ein grosses Rätsel» umgebe die Zeichnungen, schreibt das Kunsthaus in den Presseunterlagen zu seiner neuen Ausstellung. Will heissen: Die Frage nach dem Publikum, das Füssli seinerzeit damit ansprechen wollte, und ob er die Bilder überhaupt jemals jemandem gezeigt hat, ist nie geklärt worden.
Ebenso unbestätigt ist der Wahrheitsgehalt einer Anekdote, die Kunsthaus-Direktorin Anne Demeester im Rahmen der Presseführung vom Donnerstag erzählt. Diese besagt, dass Füsslis Witwe Sophia Rawlins, die in der Ausstellung auch oft zu sehen ist, einen grossen Teil der Serie vernichtet habe. Warum, versteht sich von selbst.
Es sind eben nicht nur Frauen in pompösen Kleidern und mit kunstvollen Frisuren, die Füssli, der als einer der eigenwilligsten, originellsten und umstrittensten Künstlern zählt, zeichnete. In den insgesamt rund 60 Bildern, die das Kunsthaus in Zusammenarbeit mit The Courtauld in London zusammenstellte und mit Leihgaben aus den USA, Kanada und Neuseeland anreicherte, wird ein «ambivalentes Verhältnis Füsslis zu den Frauen» erkennbar, wie Kurator Jonas Beyer vor den Medien sagt.
Zwischen Anziehung und Unbehagen
Er spricht von einem Gefühl «zwischen Anziehung und Unbehagen», das die Betrachterin und den Betrachter beim Gang durch die Ausstellung beschleicht. Denn man wird bei Werken wie «Frau, über einen kleinen Körper gebeugt» etwa Zeugin oder Zeuge undefinierbarer Verrichtungen.
Die eine oder den anderen könnten explizit pornografische Szenerien wie in «Erotische Zeichnung mit drei Frauen und einem liegenden Mann» beunruhigen, während anderen unwohl wird, sobald sie sich die Frage stellen, was die Kurtisanen in den Bildern wohl denken mögen.
Doch eben, da ist auch diese magische Anziehung, diese grosse Faszination für die Darstellung der Frauen als Trägerinnen extravaganter Kleider und nie gesehener Frisuren. «Drei Frauen mit Körben, eine Treppe heruntersteigend» zeigt deutlich, wenn auch nicht im kleinsten Detail, wie gross die im Pressedossier genannte «Besessenheit mit höchst exzentrischen weiblichen Frisuren» des Künstlers gewesen sein muss. Sind die Frisuren doch allein in dieser Szene aus drei verschiedenen Perspektiven dargestellt.
Noch ausgeprägter sind die Haarwerke in den Zeichnungen, in denen sich Füssli auf die Rückenansicht der Frauen beschränkte. Zu sehen sind kunstvoll aufgetürmte und drapierte Haare sowie ausgefallene Kleider mit viel Spitzen und Rüschen (falls sie denn überhaupt Kleider tragen). «Indem er die Frauen von hinten zeichnete, musste er sie nicht gross psychologisieren, sondern konnte sich auf ihre Konturen konzentrieren», sagt Jonas Beyer dazu.
Spannend im heutigen Kontext
Johann Heinrich Füssli, der nicht nur Maler, sondern auch studierter Theologe war, zeigt die Frauen nie unterwürfig. Geheimnisvoll und ruhend vielleicht, aber stets betont herausfordernd und selbstbewusst. Auffallend ist eine gewisse Spannung, die vielen seiner Werke innewohnt – und die auch für das genannte Unbehagen sorgen kann. «La Débutante» beispielsweise zeigt eine am Hals angebundene Frau, die strickt. Beobachtet wird sie von weiteren Frauen, die auch Männer sein könnten.
Das ausgeprägte Interesse am weiblichen Geschlecht schlage sich insbesondere in seinem zeichnerischen Schaffen nach der Heirat mit Sophia nieder, heisst es im Pressetext. Wie weit es sich bei seinen Darstellungen um Fantasien oder Belege für beispielsweise eine ausgeprägte Verbindung zu Kurtisanen handelt, sei der Interpretation des Betrachterinnen und Betrachter überlassen.
So oder so ist leicht nachvollziehbar, dass sich Füssli mit diesen Blättern nie an ein grosses Publikum gerichtet hat. Umso interessanter, sie im heutigen Kontext zu betrachten, wo sich die Gesellschaft verstärkt mit der Komplexität von Kunst, Geschlecht und Macht auseinandersetzt.
Die letzte Füssli-Ausstellung im Zürcher Kunsthaus fand unter dem Titel «The Wild Swiss» 2006 statt. «Füssli. Mode – Fetisch – Fantasie» dauert vom 24. Februar bis 21. Mai.