Herr Suter über Schick und Schein: Der Schweizer Autor wird 75
Sie kommen daher wie Werbeslogans, die Suterismen: «Die schlecht geschriebene Wahrheit hat es manchmal schwer gegen die gut geschriebene Unwahrheit», wirft der Schweizer Erfolgsautor Martin Suter zum Beispiel mal in eine Unterhaltung. Oder: «Durch moderne Technik werde ich immer altmodischer» - bezogen darauf, dass er einen Tablet-Computer entdeckt hat, der Hand- in Druckschrift umwandelt und ihn dazu bringt, nun wieder von Hand zu schreiben.
Sie kommen daher wie Werbeslogans, die Suterismen: «Die schlecht geschriebene Wahrheit hat es manchmal schwer gegen die gut geschriebene Unwahrheit», wirft der Schweizer Erfolgsautor Martin Suter zum Beispiel mal in eine Unterhaltung. Oder: «Durch moderne Technik werde ich immer altmodischer» - bezogen darauf, dass er einen Tablet-Computer entdeckt hat, der Hand- in Druckschrift umwandelt und ihn dazu bringt, nun wieder von Hand zu schreiben.
Suter hat ein Faible für clevere Sprüche. «It‘s weird to be of the same age as old people» (etwa: es ist seltsam, im gleichen Alter wie Senioren zu sein) ist auch so einer, sagt Suter der Deutschen Presse-Agentur kurz vor seinem 75. Geburtstag. Diesen Spruch hat er allerdings auf einem T-Shirt gelesen. «Das trifft es genau. Schade, dass der Spruch nicht von mir ist», sagt er der
Das mit den coolen Slogans liegt dem Mann sozusagen im Blut. Suter hat fast 20 Jahre Werbung gemacht, als freier Texter und Mitinhaber einer Werbeagentur, ehe er mit fast 50 seinen Jugendtraum vom Schriftsteller verwirklichte. Mit durchschlagendem Erfolg. Der Schweizer, der in einem Schaltjahr, am 29. Februar 1948, geboren wurde, gehört zu den meistgelesenen Autoren im deutschsprachigen Raum. Im März geht sein neuestes Werk in den Verkauf: «Melody», die Geschichte über eine vor 40 Jahren vermeintlich spurlos verschwundene Liebe eines Unternehmers und Politikers.
Es ist auch eine Geschichte über Schein und Sein, ein Thema, das sich durch Suters Bücher zieht. Darauf habe ihn erst jemand bei einer Lesung aufmerksam gemacht, erzählt Suter. «Ich muss sagen: da hat der Mann glaube ich Recht.» Schon in seinem ersten Buch «Small World» (1997) stellt sich der Verwalter eines Ferienhäuschens später als jemand ganz anderes heraus. In einem Dokumentarfilm über Suter heisst es 2022 vielsagend: «Alles über Martin Suter. Ausser die Wahrheit.»
Hat der Ex-Werbetexter womöglich auch eine Kunstfigur «Martin Suter» geschaffen? Den stets höflichen, etwas eitlen, eleganten Bonvivant, mit angeblich zurückgegelten Haaren und einem Hang zum Luxus? Aus dem die Suterismen und amüsanten Geschichten mühelos hervorsprudeln? Hängt der echte Martin Suter fernab der Scheinwerfer meist mürrisch und mit Fastfood auf dem Sofa und kämpft tagelang um jedes Wort, ehe eine Geschichte steht? Die öffentliche Person also ein Kunstprodukt?
«Nein, überhaupt nicht, das wäre sehr anstrengend», sagt Suter. «Ich weiss, dass es das unter Kolleginnen und Kollegen gibt, die sich irgendwie designen, aber das bin ich nicht. Ich habe wirklich schon als Junge Freude daran gehabt, in ein Anzüglein gesteckt zu werden.»
Suter findet es ermüdend, dass sein Outfit immer wieder thematisiert wird. Jemanden als Krawatten- oder Anzugträger zu bezeichnen, sei fast schon eine abschätzige Bemerkung. «Aber das ist mir egal.» Eins stellt er dennoch klar: «Ich habe meine Haare noch nie gegelt.» Suter wachst, um seine Locken zu bändigen. Dann kommt wieder so ein Suterismus: «Ich erlaube mir, so zu sein, wie ich mich fühle.» Er würde auch zum Abendessen gerne einen Smoking tragen, sagt er.
Wie hält Herr Suter es also mit der Eitelkeit? «Es gibt Eitelkeiten, die ich verachte, zum Beispiel, sich für etwas Besseres zu halten als andere Leute ist unerträglich», sagt er. «Aber die Eitelkeit, vielleicht länger vor dem Spiegel zu stehen als nötig oder noch einmal eine andere Krawatte anzuziehen, die finde ich verzeihlich.»
Suter hat in rund 25 Jahren unter anderem zehn Romane und sechs Krimis veröffentlicht. Dazu kam 2020 ein Band mit Plänkeleien mit dem Autor Benjamin von Stuckrad-Barre über Badehosen, Glitzer und LSD, die er selbst ironisch als «konzeptionsloses Gelaber» beschrieben hat («Alle sind so ernst geworden»). Es hat sich gut verkauft. «Wir haben im Sinn, ein zweites solches Buch zu machen», sagt Suter. 2022 brachte er ein Mittelding zwischen Roman und Biografie über den Fussballer Bastian Schweinsteiger heraus («Einer von uns»).
Er probiere gerne aus und riskiere dafür auch mal einen Verriss, sagt Suter. Den er dann gewohnt galant wegsteckt. «„Einer von uns“ wurde in einer Zeitung als „richtig schlechtes Buch“ verrissen», erzählt Suter. «Ich habe die Kritik nicht gelesen, den Autor dann aber mal gegoogelt und gesehen, dass der auch Bücher schreibt. Da habe ich eine Leseprobe gelesen und mir dann gesagt: Diese Kritik muss ich annehmen, der Autor versteht mehr von schlechten Büchern als ich.»
Das Smartphone- und Online-Publikum bedient Suter seit ein paar Jahren mit einer Webseite mit Bezahlschranke. 60 Franken (gut 60 Euro) kosten Suter-Häppchen im Jahr. «Ich hatte gemerkt: ich verkaufe immer weniger Bücher, aber die Leute lesen immer mehr, auf dem Laptop, dem Handy, das wächst in eine andere Richtung», sagt Suter. «Was die da lesen, ist nie von mir. Ich möchte, dass man meine Sachen auch so lesen kann, wenn man will.» Reich werde er damit nicht. «Wenn ich nur wegen des Geldes schreiben würde, dann würde ich unter einem Pseudonym Pornos schreiben», sagt er.