Dokumentarfilm «Je suis Noires» – Schwarze Schweizerinnen erzählen
Sie leiden in ihrer eigenen Heimat unter rassistischer Diskriminierung. In «Je suis Noires» von Rachel M'Bon und Juliana Fanjul äussern sich schwarze Schweizerinnen zu ihren Erfahrungen mit strukturellem Rassismus und ihren Konflikten mit der eigenen Identität.
Sie leiden in ihrer eigenen Heimat unter rassistischer Diskriminierung. In «Je suis Noires» von Rachel M'Bon und Juliana Fanjul äussern sich schwarze Schweizerinnen zu ihren Erfahrungen mit strukturellem Rassismus und ihren Konflikten mit der eigenen Identität.
Da ist die Wut auf die eigenen Haare, die tiefe Verletzung, nachdem man von der Polizei einmal mehr als Kriminelle vorverurteilt worden ist oder die schmerzhafte Erinnerung an den unerfüllten Traum eines kleinen schwarzen Mädchens, das am nächsten Morgen mit weisser Haut aufwachen wollte.
Zusammen mit Regisseurin Juliana Fanjul hat die Westschweizer Journalistin und Filmemacherin Rachel M’Bon einen Dokumentarfilm über die Erfahrungen von schwarzen Schweizerinnen gedreht. Er kommt heute in die Deutschschweizer Kinos.
Frauen, die Psychologin, Juristin, Bankerin, Studentin oder Schriftstellerin sind. Die seit Jahren hier leben, gut ausgebildet und bestens vernetzt sind – und «die die Zuschauenden, würde man sie nur sprechen hören, in keiner Weise von anderen Schweizerinnen unterscheiden könnten», wie M’Bon im Zoom-Interview mit Keystone-SDA sagt.
Gleicher Pass, grosse Unterschiede
Was die Protagonistinnen erzählen, widerspiegelt M’Bons eigene Geschichte. Als Tochter einer weissen Mutter und eines schwarzen Vaters, hat sie ihr ganzes Leben in der Schweiz verbracht. Doch: «Ich bin anders, jeden Tag», sagt die schweizerisch-kongolesische Journalistin.
Das Anderssein aufgrund ihrer Hautfarbe hat sie als Kind gar so verzweifelt gemacht, dass sie nach der Schule vor ihrem Vater wegrannte. «Ich wollte nicht zu diesem Schwarzen gehören», sagt sie im Trailer zum Film. Es ist nur eine von vielen Szenen, die einem die Tränen in die Augen treiben.
«Je suis Noires» gibt zahllose Beispiele dafür, mit welchen Hindernissen, Vorurteilen und tiefen Verletzungen schwarze Frauen in der Schweiz zu kämpfen haben. Sie habe eine «Hautfarbe wie Kacke» wurde einer Protagonistin als Kind etwa gesagt, «Geh zurück in dein Land» sagte man einer anderen Frau im Bus. Und alle Befragten sprechen in ihren eigenen Worten von einem Leben als Aussenseiterin. «Man ist immer das schwarze Einhorn», bringt es die Regisseurin auf den Punkt.
Während sich unter Migrantinnen und Migranten oft Communities bilden, sei man als schwarzes Mädchen, das hier geboren wurde und aufwuchs, oft «die einzige Schwarze», so M’Bon. Entsprechend fühle selbst sie, die langjährige Freundschaften hat und auch durch ihre Arbeit alles andere als abgeschottet lebt, sich sehr oft allein.
Es sei für sie trotz aller Privilegien schwierig, als Schweizerin aufzuwachsen. Dazu komme die Schwierigkeit, nicht Betroffenen die eigene Situation nachvollziehbar zu beschreiben. Zu erklären, dass eine Schweizerin mit einer anderen Hautfarbe schlicht nicht die gleichen Voraussetzungen hat wie alle anderen.
Für Quartz nominiert
Nie aber wird in «Je suis Noires» von Schuld gesprochen. Sie habe weder die Frauen als Opfer darstellen, noch den Weissen die alleinige Verantwortung zuschieben wollen, betont Rachel M’Bon. Ihre Absicht sei es vielmehr, die Menschen an der Hand zu nehmen und ihnen zu zeigen, wie die Wahrheit aussieht. Dass die Schweiz nach wie vor ein Problem mit strukturellem Rassismus hat. «Dieses zu bekämpfen, gelingt uns nur gemeinsam.»
In der Westschweiz und im Tessin ist «Je suis Noires» bereits gelaufen. Die Reaktionen seien sehr positiv gewesen, so M’Bon. Und nicht nur das: Die Doku ist in der Kategorie «Bester Kurzfilm» für einen Schweizer Filmpreis nominiert.
«Für schwarze Menschen kann dieser Film Heilung bringen, weil sie sehen, dass sie in ihrer Situation nicht alleine sind», sagt die Filmemacherin. Andere verlassen den Kinosaal im besten Fall mit einem neuen, geschärften Blick für Diskriminierung im Alltag.