Ausstellung in Sitten hinterfragt Grenze zwischen Kultur und Natur
Ist das, was nicht mehr wild ist, noch natürlich? Durch die Präsentation von Arten, die vom Menschen verändert wurden, hinterfragt die Ausstellung «Artificiel» des Walliser Naturmuseums in einem ehemaligen Gefängnis in Sitten die Grenze zwischen Natur und Kultur.
Ist das, was nicht mehr wild ist, noch natürlich? Durch die Präsentation von Arten, die vom Menschen verändert wurden, hinterfragt die Ausstellung «Artificiel» des Walliser Naturmuseums in einem ehemaligen Gefängnis in Sitten die Grenze zwischen Natur und Kultur.
Wie und warum hat der Mensch vor rund 15’000 Jahren den Wolf domestiziert, im 15. Jahrhundert Kanarienvögeln wohlklingende Melodien beigebracht, im 19. Jahrhundert Eringerkühe oder im 20. Jahrhundert Masthähnchenlinien durch Selektion gezüchtet?
«Die Gründe sind nicht immer die, die man vermutet», sagt Nicolas Kramar, Direktor des Naturmuseums Wallis. Die Domestikation des Hahns vor 8000 Jahren diente laut Forschungen dazu, seine Federn für Schmuck oder Kämpfe zu verwenden. Die Domestikation des Auerochsen, des Vorfahren des Rinds, vor fast 11’000 Jahren war mit Prestige verbunden.
«Der Mensch beeinflusst die Natur seit jeher aus wirtschaftlichen, ästhetischen, spielerischen, wissenschaftlichen oder auch militärischen Gründen, die sich mit den Gesellschaften entwickeln», erklärt Kramar. Die Naturgeschichte sei daher nicht unabhängig von der Geschichte insgesamt.
Die Ausstellung liefert schriftliche und akustische Erklärungen. Ein Brief des Naturforschers Charles Darwin aus dem Jahr 1868 behandelt die Variation von Tieren und Pflanzen unter dem Einfluss der Domestikation.
Der Ausstellungstitel «Artificiel» (künstlich) geht auf den von Darwin geprägten Ausdruck «künstliche Selektion» zurück. Der Naturforscher verwendete ihn, nachdem er das Prinzip der natürlichen Selektion, eine der Säulen der Evolutionstheorie, geprägt hatte.
Die Ausstellung lädt Besucher und Besucherinnen ein, zu hinterfragen, was üblicherweise in jede der Kategorien Natur und Kultur eingeordnet wird. «Denn die Grenzen zwischen natürlich und künstlich sind viel poröser als man denkt», betont Nicolas Kramar.