Urlaub unter Haien: Ein Streifzug durch die Hotspots der Meeresjäger
Haie üben auf Menschen eine gewaltige Faszination aus. Vielen machen die Raubfische Angst - beflügelt von Steven Spielbergs Horror-Thriller «Der Weisse Hai» aus dem Jahr 1975. Die Unterwasserräuber haben einen Ruf als kaltblütige Killer. Doch die Statistik spricht eine andere Sprache: Den unzähligen Haien, die die Meere bevölkern, stehen pro Jahr nur ein paar Dutzend Angriffe auf Menschen gegenüber - die wenigsten davon tödlich.
Rund 500 Haiarten sind bekannt. Sie reichen von mächtigen Kalibern wie fünf Meter langen Tiger- und Hammerhaien bis zum Zwerg-Laternenhai, der gerade einmal 20 Zentimeter misst. Hier ein Überblick über die Hai-Schauplätze der Welt:
THAILAND: In der Andamanensee im Süden des Landes wimmelt es von Haien. Die meisten stellen für Menschen keine Gefahr dar. Kleine Schwarzspitzenhaie können an der Maya Bay auf Ko Phi Phi Le – weltberühmt geworden durch den Filmhit «The Beach» mit Leonardo DiCaprio – vom Ufer aus beobachtet werden. Mit bunten Longtail-Boot können Schnorchel-Ausflüge etwa zur berühmten Viking Cave sowie Sunset-Touren nach Bamboo Island gemacht werden, wo sich in der Dämmerung in Strandnähe besonders viele Haie tummeln.
Apropos «Bamboo»: Im Marine Discovery Centre, das zum Resort SAii Phi Phi Island Village gehört, werden Bambushaie gezüchtet und als Jungtiere in die Freiheit entlassen. Interessenten können hier alles über die Spezies lernen, die eher niedlich wirkt und sich zumeist am Meeresboden aufhält. Mit dem Projekt «Save Our Sharks» («SOS») soll das fragile Meeresökosystem in der Region unterstützt werden.
Fast alle Hai-Arten rund um Koh Phi Phi stellten keine ernsthafte Gefahr für den Menschen dar, sagt Bart Callens, regionaler Hoteldirektor der SAii-Resorts. Dennoch rät er zur Vorsicht: “Es handelt sich immer noch um wilde Tiere, und wir ermutigen unsere Gäste stets, einen respektvollen Abstand zu halten.
SÜDAFRIKA: In dem Land am Kap ist in puncto Haien fast alles möglich, vor allem das berühmte Käfigtauchen mit dem Weissen Hai. Vor der Küste von Gaansbai, einem am Atlantik gelegenen Fischerdorf, liegt die «Shark Alley», ein berüchtigtes Jagdrevier der Tiere. Mit Fischblut werden sie angelockt, während Menschen in Stahlkäfigen ins Wasser gelassen werden.
An der Ostküste können Adrenalinjunkies sogar noch näher an die Raubtiere heran: Vor Durban dürfen sie im Indischen Ozean ganz ohne Sicherheitsvorkehrungen mit Tigerhaien schnorcheln und beobachten, wie die Tiere lautlos an ihnen vorbeigleiten.
Rund um die False Bay nahe Kapstadt sind sogenannte «Shark Spotter» im Einsatz. Sie such von Hügeln aus die Wasseroberfläche nach den Raubfischen ab. Sichten sie die Flosse eines Weissen Hais, lösen sie eine ohrenbetäubende Sirene aus und hissen eine weisse Flagge mit schwarzem Hai.
FIDSCHI: Acht verschiedenen Haiarten können Taucher mit etwas Glück in der Beqa Lagoon begegnen. Bei der Lagune handelt es sich um ein Meeresschutzgebiet, die Unterwasserwelt ist weitgehend unberührt. Ob Indopazifische Ammenhaie, Bullenhaie, oder Silberspitzenhaie: Sichtungen sind so gut wie garantiert, da die Tiere mit Fischen gefüttert werden.
SPANIEN: Vor der spanischen Mittelmeer-Küste werden auch immer wieder Haie gesichtet. Und auch im Atlantik, etwa im spanischen Galicien oder in Portugal, tauchen die Tiere manchmal in Küstennähe auf. Die Sichtungen sorgen fast immer für Aufsehen. So wie Mitte April auf Mallorca, als sich ein Blauhai an den Badestrand verirrte. Schaulustige filmten, wie der grosse Fisch aus eigener Kraft zurück ins Meer schwamm. Hai-Attacken auf Menschen sind derweil extrem selten – genau sechs an der Zahl in Spanien seit 1847, wie aus Statistiken hervorgeht. Auf Mallorca sei nur ein einziger Angriff auf einen Fischer bekannt, und der liege bereits 70 Jahre zurück.
USA: Hier sieht die Sache schon gefährlicher aus: Mit 41 bekannten Hai-Angriffen führte das Land 2022 die weltweite Liste an – allerdings endete nur eine Attacke in Hawaii tödlich. Speziell in Kalifornien können Abenteuerlustige im Revier des gefürchteten «Great White» mit dem Riesen auf Tuchfühlung gehen. Gut 40 Kilometer vor San Francisco liegt das «Galapagos Nordamerikas», wie die Farallon-Inseln genannt werden. Das Schutzgebiet ist ein Tummelplatz für Meeresvögel, Seelöwen, Wale und Haie. Das Tauchen in Stahlkäfigen dort ist nichts für Zimperliche: Es ist ein «brutaler» Ort, mit oft rauer See und miserablem Wetter, so ein Veranstalter.
Die Inseln liegen mitten im «Roten Dreieck», in dem Weisse Haie Jagd auf Robben machen und dabei auch an den nördlich von San Francisco gelegenen Stränden Menschen gefährden. So wird der beliebte Stinson Beach häufig nach Sichtungen einer der markanten Flossen gesperrt. Als 1981 in Stinson Beach tagelang Surfverbot herrschte, dachte sich der Betreiber eines Surf-Shops ein inzwischen ikonisches «No Shark»-Logo aus. Es zeigt einen Hai in einem roten Kreis, von einem Schrägstrich durchkreuzt. Das Symbol ziert T-Shirts, Autosticker und Souvenirs.
AUSTRALIEN: Vor der Eyre-Halbinsel im Bundesstaat South Australia wurde im Mai ein 46-jähriger Surfer das jüngste Opfer eines Hais. Nicht weit entfernt begeben sich aber auch hier Touristen beim «Cage Diving» freiwillig in die Nähe von Weissen Haien. Und auch am Great Barrier Reef im Bundesstaat Queensland haben Taucher und Schnorchler keine Berührungsängste: Die nur 1,60 Meter grossen Riffhaie gelten aber auch als ungefährlich und scheu.
Trotzdem ist Down Under nach den USA das Land mit den meisten Haiangriffen. Am weltberühmten Bondi Beach in Sydney sollen Netze Schwimmer schützen – was sie allerdings nur bedingt tun. «Sie sind 150 Meter lang, Bondi ist aber fast 1000 Meter lang», kritisiert Duncan Heuer von der Initiative «Saving Norman». Er kämpft für den Schutz gefährdeter Sandtigerhaie, die oft in den Netzen verenden.
SEYCHELLEN: In den fischreichen Gewässern leben neben Walhaien noch Dutzende Arten, darunter Ammenhaie, Bogenstirn-Hammerhaie, Riffhaie, Zitronenhaie und Silberspitzenhaie. Sie werden hier gut geschützt: Ein Drittel des Archipels vor der Küste Ostafrikas ist als Meeresschutzgebiet ausgewiesen. Aber es gab auch schon Horror-Nachrichten. Im Jahr 2011 wurde ein Brite auf Hochzeitsreise vor der Insel Praslin von einem Hai getötet. In derselben Gegend war nur zwei Wochen zuvor ein Franzose Opfer einer Hai-Attacke geworden. Die Regierung erliess daraufhin an einigen Stränden monatelang ein Badeverbot. Anschliessend wurden strenge Fischereivorschriften eingeführt, um die Tiere nicht in Strandnähe zu locken.
MEXIKO: Die Begegnung mit einem Walhai ist immer beeindruckend: Der grösste Fisch der Welt kann so lang werden wie ein Bus und hat 3600 winzige Zähne in seinem bis zu 1,5 Meter breiten Maul. Und doch springen abenteuerlustige Touristen mit Maske und Schnorchel unter anderem in Mexiko sorglos von Ausflugsbooten ins Wasser, um mit dem Riesen der Meere zu schwimmen. Warum die Urlauber so entspannt sind: Die Tiere ernähren sich fast nur von Plankton und kleinen Fischen.
Wer dem Tier begegnet, vergisst das Erlebnis wohl nie mehr. Die sanftmütigen Wanderer der Meere sind Einzelgänger. Zu bestimmten Jahreszeiten versammeln sie sich aber an einigen Orten rund um den Globus. Walhaitourismus ist zumeist gut geregelt, weil das Tier auf der Roten Liste der bedrohten Arten als gefährdet eingestuft ist.
MALEDIVEN: Rund um die Atolle ist das Hai-Fischen seit 2010 verboten – mit positiven Folgen: Nicht nur hat sich die Hai-Population vergrössert, auch die Artenvielfalt hat zugenommen. Mit den Raubfischen zu interagieren oder sie zu füttern ist eine beliebte Touristenaktivität. Angriffe auf Menschen sind auch hier selten. «80 Prozent der schweren Hai-Attacken gehen auf drei Arten zurück: Weisser Hai, Tigerhai und Bullenhai», erklärt das Florida Program for Shark Research. In den Riff-Lebensräumen der Malediven kämen diese Arten aber nur selten vor. Je länger aber «baited diving» angeboten werde, desto wahrscheinlicher sei es aber, dass es zu Zwischenfällen käme. «Es ist nur eine Frage der Zeit bis jemand von einem Riffhai gebissen wird.»