«Dein Paradies, mein Gefängnis»: Problematische Trauminsel Kuba
Viel schönere Strände gibt es wohl nicht als den mehr als 20 Kilometer langen Abschnitt der kubanischen Nordküste mit weissem Sand und türkisem Wasser in der Resort-Stadt Varadero. Traumhafte Kulissen hat Kuba zuhauf zu bieten. Dazu gehören auch die Meerespromenade der Hauptstadt Havanna - an der Besucher gerne in Oldtimern auf und ab gefahren werden - sowie geschützte Naturgebiete wie im Viñales-Tal und Kolonialbauten etwa in der Stadt Trinidad.
Musik à la Buena Vista Social Club und Cocktails wie Mojitos und Daiquirís sorgen für einen eigenen Flair. Auch an Luxus-Hotels mangelt es heute auf Kuba nicht – wobei man beim Internetzugang und der Essensqualität deutliche Abstriche machen muss. In Havannas Altstadt muss man damit rechnen, alle paar Schritte von jemandem angesprochen zu werden, der einem etwas andrehen will – eine Taxifahrt, Geldwechsel, Zigarren, Prostituierte.
Die sozialistische Karibikinsel ist stark vom Tourismus abhängig und hat gewaltig unter dessen Einbruch in der Pandemie gelitten. Anders als andere Länder in der Region, etwa die Dominikanische Republik, erholt sich Kuba davon nur langsam. Das hat wohl damit zu tun, dass der Einparteienstaat derzeit vor allem mit Not, Verfall, Repression und Massenexodus von sich reden macht. Ein Urlaub dort ist ausserdem nicht billig. Kanada ist das wichtigste Herkunftsland, viele Besucher kommen aber auch aus Deutschland – diesen wird allerdings inzwischen nach einem Kuba-Besuch die Einreise in die USA erschwert.
«Ich kann nicht nach Kuba fahren und erwarten, dass ich ohne jegliche Vorbereitung hier alles kriege, was ich haben möchte», sagt Christopher Trinczek, Gründer und Geschäftsführer des Berliner Reiseveranstalters Cuba Buddy. Dieser organisiert, zusammen mit der staatlichen Tourismusagentur Cubanacán, individuell zugeschnittene Kuba-Reisen für Gruppen von durchschnittlich zwei bis vier Personen. Er verweist darauf, dass man auf Kuba wegen des Mangels an Sprit und Fahrzeugen nicht mal eben ein Auto mieten und losfahren kann.
Für Trinczek ist der Kontakt mit den Menschen das Beste an einem Kuba-Besuch – dadurch könne man wichtige Einblicke darüber gewinnen, wie man abseits von Luxus und Wohlstand glücklich sein kann. Übernachtungen in von Familien geführten Gästehäusern sind daher ein wichtiger Teil der Reisen, die sein Unternehmen anbietet. So komme man gut mit den Leuten ins Gespräch, sagt Trinczek der Deutschen Presse-Agentur im Büro von Cuba Buddy in Havanna.
64 Jahre nach der Revolution von Fidel Castro ist das Leben auf Kuba hart. Die Herrschaft der Kommunistischen Partei, das Embargo der USA und zuletzt heftige Inflation haben einen Alltag geschaffen, der von Mangel geprägt ist – etwa an Lebensmitteln, Medikamenten, Kraftstoff, Maschinenteilen, der Kapazität zur Stromerzeugung.
Der Reisejournalist Paco Nadal schrieb im April in der spanischen Zeitung «El País», man solle ruhig Kuba besuchen; die Probleme der Bevölkerung bekämen Touristen kaum zu spüren. Eine kleine Gruppe von Exil-Kubanern, zu denen bekannte Dissidentinnen gehörten, warf dem Blatt daraufhin in einem Brief vor, die prekären Lebensverhältnisse der Kubaner sowie die staatliche Repression zu beschönigen. «Dein Paradies, mein Gefängnis», hiess es.
Auch Martin Lessenthin, Kuba-Experte und Mitglied im Kuratorium des Deutschen Instituts für Menschenrechte, sieht den Kuba-Tourismus äusserst kritisch. «Die kubanische Bevölkerung zieht kaum Nutzen aus den Devisen, die westliche Urlauber auf die Karibikinsel bringen», betont er. «Im Gegenteil: Die Devisen werden zur Stabilisierung des Unterdrückungsapparats eingesetzt, und den Profit streichen die Machtelite aus Partei und Militär sowie ihre Günstlinge ein, die den Tourismussektor total kontrollieren.»
Lessenthin verweist auf die Niederschlagung friedlicher Proteste auf Kuba im Juli 2021 und die Inhaftierung Hunderter Teilnehmer – darunter des Deutsch-Kubaners Luis Frómeta aus Dresden, der 15 Jahre Haft für das Filmen von Gewalt gegen Demonstranten bekommen habe. «Wer als Tourist mit gutem Gewissen die Karibik bereisen möchte, findet viele Alternativen zum diktatorisch beherrschten Kuba.»
Vom Tourismus profitiere, wer direkt mit Touristen zu tun habe, sagt Amelia Calzadilla. Die 32 Jahre alte dreifache Mutter aus Havanna war früher Fremdenführerin und machte zuletzt mit Videos auf Facebook auf sich aufmerksam, in denen sie die Missstände auf Kuba anprangert – weshalb sie Todesdrohungen bekommen habe und nun keinen Job im Tourismussektor mehr bekomme. «Tourismus-Arbeiter können von den Trinkgeldern, die sie von Ausländern bekommen, Produkte kaufen, die nur in ausländischen Währungen verkauft werden», erzählt sie.
Der Kontakt mit Touristen sei für sie auch lehrreich gewesen, sagt Calzadilla der dpa. «Dank meiner Kunden habe ich andere Wahrheiten über den Kapitalismus erfahren», als das, was ihr in der Schule beigebracht worden sei. Wer am meisten am Kuba-Tourismus verdiene, seien aber die ausländischen Reiseveranstalter, die durch Partnerschaften mit staatlichen Unternehmen Kubaner unter lokalen Bedingungen beschäftigten, betont Calzadilla.
Wer an einem Kuba-Besuch interessiert sei, müsse sich auf Einschränkungen gefasst machen – etwa Mangel an Produkten, Stromausfälle und Mobilitätsbeschränkungen wegen des Spritmangels. Wer trotzdem kommen wolle, solle versuchen, mit den Menschen in Kontakt zu kommen und ihnen zu helfen, meint Calzadilla. «Das Beste an Kuba sind die Kubaner.»