«Rote Zora und Schwarze Brüder»: Geschichte hinter den Geschichten
«Rote Zora und Schwarze Brüder» (10.6.-12.11.) betitelt das Landesmuseum Zürich seine neue Ausstellung. Der Bezug zu zwei Klassikern der Jugendliteratur ist offensichtlich. Die Schau beleuchtet das Autorenpaar hinter den Büchern - und das Tessin vor rund 100 Jahren.
Die Autorin Lisa Tetzner (1894-1963) und den Autor Kurt Kläber (1897-1959) kennt wohl kaum jemand. Aber ihre Bücher «Die Schwarzen Brüder» und «Die Rote Zora» sind längst zu Klassikern der Jugendliteratur geworden. Generationen von Kindern im ganzen deutschsprachigen Raum sind mit den Geschichten von den Kindern aufgewachsen, die sich zusammentun, um gemeinsam gegen die schreiende Ungerechtigkeit zu überleben, die ihnen von Erwachsenen angetan wird.
Das Landesmuseum Zürich zeigt nun, dass Mut und Zivilcourage im Angesicht von Unrecht nicht nur das Thema der Bücher, sondern auch das Lebensthema der Autorin und des Autors sind. Die Ausstellung verdeutlicht, wie sehr die Erfahrungen von Tetzner und Kläber in die Bücher eingeflossen sind. «Wir verbinden in der Ausstellung die Charakterzüge der Autorin und des Autors mit ihren Figuren in den Büchern», sagt Andrea Franzen, die Kuratorin der Ausstellung, gegenüber Keystone-SDA.
Flucht ins Tessin
Tetzner und Kläber hatten sich 1919 kennengelernt. Kläber war nach dem Ersten Weltkrieg Bergmann im Ruhrgebiet und kommunistischer Kulturfunktionär. Tetzner hatte an der Schauspielschule von Max Reinhardt in Berlin Sprecherziehung und Stimmbildung studiert, war an der Berliner Universität eingeschrieben und machte sich später als Märchenerzählerin in Deutschland einen Namen. Kläber wurde wegen seiner Mitgliedschaft in der kommunistischen Partei von den Nationalsozialisten verfolgt und verhaftet. Nach seiner Haftentlassung flüchtete das Paar ins Tessin. 1933 liessen sich die beiden in Carona nieder – dies in einer Zeit, als viele Schriftsteller und Kunstschaffende wie etwa Hermann Hesse, Erich Maria Remarque oder Meret Oppenheim das Tessin zu einem Ort neuer kultureller Ideen machten.
Es war nur wenige Jahrzehnte her, dass das Tessin, und vor allem seine Seitentäler, ein Ort bitterer Armut waren. Davon erzählt Lisa Lisa Tetzner in «Die Schwarzen Brüder»: Der kleine Giorgio lebt im Verzascatal bis er von seinen Eltern als Kaminfegerbub, als Spazzacamino, nach Mailand verkauft wird. Vom Schicksal der Spazzacamini hatte die Autorin in einer alten Tessiner Chronik gelesen.
Kurt Kläber erzählt in «Die Rote Zora und ihre Bande» von einer Kinder-Gang um Zora mit den flammend roten Haaren. Die Kinder hausen in einer Burg oberhalb einer Küstenstadt an der kroatischen Adria und halten gegen Hunger und Armut als auch gegen die Welt der ihnen feindlich gesinnten Erwachsenen zusammen. Das Buch ist ein flammendes Plädoyer für Solidarität und Menschlichkeit. Kläber hat im Übrigen wegen seiner politischen Verfolgung unter dem Pseudonym Kurt Held publiziert.
Schreibe im Tessin
Das Landesmuseum in Zürich verbindet nun in «Rote Zora und Schwarze Brüder» die Geschichte des Autorenpaars und deren Schreiben mit der Geschichte der Helden in den beiden Büchern. So sind beispielsweise die Schreibmaschinen der Autorin und des Autors ausgestellt. Oder es wird ein Reiseführer von der kroatischen Adria aus dem Jahr 1939 gezeigt. Tetzner und Kläber waren dorthin gereist und haben, so gab es der Autor an, Zora selbst kennen gelernt. Zudem werden die Bücher in der Ausstellung auch inhaltlich vorgestellt. Zu sehen sind Typoskripte, Zeichnungen oder historische Fotografien von Kaminfegerbuben.
Geschrieben haben Tetzner und Kläber ihre Bücher zu Beginn der 1940er-Jahre im Tessin. Erfolgreich wurden sie allerdings erst in den 1950er-Jahren. Beide Bücher sind mehrfach verfilmt, es gibt Hörspielfassungen und sie wurden als Musical, «Die rote Zora» auch als Oper, auf die Bühne gebracht.
Lisa Tetzner und Kurt Kläber selber konnten sich im Tessin zwar in Sicherheit wissen. Aber einfach hatten sie es auch in ihrem Exil nicht: Die Fremdenpolizei hatte Kläber mit einem Publikationsverbot belegt; Tetzner musste alleine für das Einkommen des Paares sorgen.