Unvergesslicher Tag bei Christian Stuckis Abschied
Vor dem Seeländischen Fest in Lyss glaubten manche, dass Christian Stuckis 38-jähriger Körper keine sechs Gänge mehr zulassen würde.
Optimisten glaubten an den Kranzgewinn. Aber «der Stucki» glaubte an den Sieg – und siegte.
In der Arena im Lysser «Grien», deren knapp 5000 Plätze seit langem verkauft waren, machten sich alle für die Verabschiedung des grossen Christian Stucki parat. Alle Schwinger des gastgebenden Seeländer Verbandes schwangen an diesem Tag in weinroten, quasi stuckiroten Hemden, und zahlreiche Zuschauer trugen T-Shirts, auf denen das Konterfei des Schwingerkönigs mit der Königskrone prangte.
Alle litten und freuten sich mit dem populärsten Schwinger der Geschichte. Dem sanften Riesen ging der Abschied ebenfalls nah. Er konnte die Tränen kaum zurückhalten, als er am frühen Morgen dieses strahlenden Sonntags dem Schweizer Fernsehen berichten musste, wie er ebendiesen Morgen erlebt hatte. Zum letzten Mal am Sonntag in aller Frühe aufstehen, zum letzten Mal die Sporttasche packen, zum letzten Mal auf den Schwingplatz gehen – was er in Lyss mit dem Velo tat.
Als er Christian Gerber 33 Sekunden vor dem Ende des Schlussgangs gebodigt hatte und sich die beiden auf dem Platz umarmten, waren die feuchten Augen für alle zu sehen. Stucki fasste sich noch rechtzeitig, bevor er mit dem Mikrofon am Lautsprecher als versierter Conferencier eine Rede hielt. Er rief seine Frau Céline zu sich. Die beiden tauschten einen innigen Kuss. Stucki bedankte sich bei jenen, folglich bei sehr vielen, die ihm die Karriere ermöglicht hatten. Auch bei seinen Eltern bedankte er sich mit seinem Schalk und seinem trockenen Humor: «Ma und Pa, merci vielmal. Ohne euch wäre es nicht möglich gewesen, ich wäre gar nicht da.»
Auf die sechs Gänge konnte sich Stucki nicht konzentrieren wie an allen Festen zuvor. Denn zwischen den Gängen war er gefragt. Wie viele Autogramme er an dem Tag an Alt und Jung verteilte, lässt sich nicht schätzen. Auch zwei Konkurrenten fiel die Konzentration schwer. Während sich Adrian Walther und Thomas Sempach im Spitzengang im Anschwingen duellierten, stellte der Speaker des langen und breiten Christian Stucki vor. Darauf setzte eine lange und laute Standing Ovation ein, die nicht Walther und Sempach galt.