Noch keine Spur von «Titanic»-Tauchboot – Suche auf Hochtouren
Trotz einer grossangelegten Suchaktion nach dem verschollenen Tauchboot in der Nähe des «Titanic»-Wracks fehlt noch immer jede Spur der «Titan».
«Es werden alle möglichen Schritte unternommen, um die fünf Besatzungsmitglieder sicher zurückzubringen», teilte die Betreiberfirma Oceangate am Dienstag (Ortszeit) mit. Allerdings waren die Einsatzkräfte nach Angaben des Koordinators der US-Küstenwache für die Suche, Jamie Frederick, bisher nicht erfolgreich. Die Zeit drängt: Schätzungen der Behörden zufolge dürfte der Sauerstoff nur noch bis Donnerstagmittag (MESZ) reichen – um 05.00 Uhr am Mittwoch waren es ungefähr noch 30 Stunden. An Bord ist unter anderem der französische Forscher Paul-Henri Nargeolet (77), der als einer der bekanntesten Experten für das Wrack des 1912 gesunkenen Luxusliners gilt und daher den Spitznamen «Mr. Titanic» trägt. Weitere Insassen sind der britische Abenteurer Hamish Harding (58) sowie der britisch-pakistanische Unternehmensberater Shahzada Dawood (48) und dessen 19-jähriger Sohn Suleman. Der fünfte Vermisste ist Oceangate zufolge der Chef der Betreiberfirma Stockton Rush (61), der als Kapitän des Bootes fungiert hatte.
Das Gefährt wird seit Sonntagvormittag (Ortszeit) vermisst. Etwa eine Stunde und 45 Minuten nach Beginn des Tauchgangs, der rund sieben Stunden dauern sollte, riss der Kontakt zum Begleitboot «Polar Prince» ab. Nach Angaben des Anbieters Oceangate Expeditions hat die knapp sieben Meter kleine «Titan» ausreichend Sauerstoff für insgesamt 96 Stunden. Doch Experten zeigten sich mit Blick auf die Chance, das Gefährt rechtzeitig und intakt zu finden, pessimistisch. Aufsehenerregender Brief Unterdessen hatten Führungskräfte der Tauchboot-Industrie einem Artikel der «New York Times» zufolge schon vor Jahren Sorgen bezüglich der Sicherheit der «Titan». «Wir befürchten, dass der aktuelle experimentelle Ansatz von Oceangate zu negativen Ergebnissen führen könnte (von geringfügig bis katastrophal)», schrieben sie in einem auf 2018 datierten Brief, den die Zeitung veröffentlichte. Darin wird Oceangate irreführendes Marketing vorgeworfen. Chef Stockton Rush wurde dazu aufgerufen, die «Titan» von einer unabhängigen Partei testen zu lassen.
Das passt zum Eindruck von Reporter David Pogue vom US-Sender CBS, der die Fahrt im vergangenen Jahr mitgemacht hatte. Er sagte der BBC, das Gefährt habe auf ihn einen improvisierten Eindruck gemacht. «Man steuert dieses U-Boot mit einem Xbox-Gamecontroller», sagte Pogue. Ein Teil des Ballasts bestehe aus Baurohren. Falls das Boot eingeklemmt werde oder Leck schlage, «gibt es kein Backup, keine Rettungskapsel», sagte er. Der ehemalige U-Boot-Offizier Frank Owen sagte der BBC, die grösste Herausforderung für die Eingeschlossenen sei es, ruhig zu bleiben und nicht zu viel Sauerstoff zu verbrauchen. Suche mit Flugzeugen und Schiffen
Die Suche nahe des «Titanic»-Wracks ging bis zum späten Dienstagabend (Ortszeit) mit Flugzeugen und Schiffen weiter. Man verstärke die Suche unter Wasser, sagte John Mauger von der US-Küstenwache dem US-Sender CNN. Zunächst habe man sich auf die Wasseroberfläche konzentriert, indem mit Flugzeugen systematisch ein grosses Gebiet abgeflogen worden sei. Auch Unterwasser-Fahrzeuge sollen mittlerweile angekommen sein. Dabei setzten die Rettungskräfte vor allem Sonar ein, um mögliche Geräusche von der «Titan» aufzufangen.
Flugzeuge der US-Nationalgarde und aus Kanada hätten die US-Küstenwache dabei unterstützt. Es sei bereits eine Fläche von rund 26.000 Quadratkilometern abgesucht worden, teilte die US-Künstenwache auf Twitter mit. Das ist grösser als Mecklenburg-Vorpommern. Koordinator Frederick sprach von einem sehr komplexen Unterfangen. Ein Team aus Küstenwache, Angehörigen der US-Nationalgarde und kanadischen Streitkräften arbeite «rund um die Uhr» daran. Navy schickt Bergungs-System
Die US-Navy schickt derweil ein Gerät zur Bergung des U-Boots. Wie eine Sprecherin der Deutschen Presse-Agentur sagte, soll das Tiefsee-Bergungssystem «Fadoss» in der Nacht zum Mittwoch (Ortszeit) in St. Johns im kanadischen Neufundland ankommen und dann weiter auf den Ozean transportiert werden. Die Navy beschreibt es als «tragbares Schiffshebesystem, das eine zuverlässige Tiefsee-Hebekapazität von bis zu 27 Tonnen für die Bergung grosser, sperriger und schwerer versunkener Objekte wie Flugzeuge oder kleine Schiffe bietet.» Es kann mit seiner Winde und Seil auf Schiffen installiert werden. Eine Rettung – ob nun mit «Fadoss» oder anderweitig – kann aber erst angegangen werden, wenn das Boot lokalisiert ist. Das in zwei Hälften zerbrochene Wrack der «Titanic» liegt in rund 3800 Metern Tiefe. An der Stelle etwa 684 Kilometer südlich der kanadischen Insel Neufundland sind die Bedingungen äusserst schwierig. Es herrscht pechschwarze Dunkelheit, und der Wasserdruck ist gross.
250.000 Dollar pro Person
Oceangate bietet zahlungskräftigen Kunden eine abenteuerliche Reise – die Kosten für die insgesamt achttägige Expedition liegen bei 250.000 US-Dollar (229.000 Euro). Der Tauchgang selbst dauert eigentlich nur wenige Stunden. Das Unternehmen bewirbt die Fahrten mit dem Kohlefaser-Tauchboot laut BBC als Chance, «aus dem Alltag herauszutreten und etwas wirklich Aussergewöhnliches zu entdecken». An Bord sind auch immer wieder Experten und Forscher.
Mit Experte Nargeolet, einem ehemaligen Marinetaucher, und Abenteurer Harding sind mindestens zwei erfahrene Insassen an Bord. Der Brite hält mehrere Guinness-Weltrekorde, darunter den längsten Tauchgang im Marianengraben, dem mit elf Kilometern tiefsten Ort der Erde, im März 2021. Im Juni 2022 flog er ins All, zuvor war er mehrmals am Südpol.
Die «Titanic» war 1912 auf ihrer Jungfernfahrt von Southampton nach New York im Nordatlantik gesunken. Mehr als 1500 der 2200 Menschen an Bord starben. Die Überreste des berühmten Luxusdampfers wurden 1985 entdeckt. Filme wie der Blockbuster «Titanic» (1997) mit den Hollywood-Stars Kate Winslet und Leonardo DiCaprio heizten das Interesse an der Katastrophe weiter an. Erst vor kurzem hatten Wissenschaftler mit Hilfe hochauflösender 3D-Bilder die bisher genaueste Darstellung des Wracks geboten.