Ein Jahr nach Dolomiten-Gletschersturz: Italien gedenkt der Opfer
Zum ersten Jahrestag des verheerenden Fels- und Gletschersturzes in den Dolomiten gedenkt Italien der elf Toten des Unglücks. An diesem Montag wird am Berg Marmolata eine Messe für die Opfer der Katastrophe gefeiert und im Anschluss eine Gedenktafel angebracht. Schon am Wochenende wurde mit Veranstaltungen an jenen Tag im vorigen Sommer erinnert. Von einer «Wunde, die wir nie vergessen werden» sprach Luca Zaia, der Präsident der Region Venetien, in der der höchste Berg der Dolomiten zum Teil liegt. Ausserdem grenzt die Marmolata an die Region Trentino-Südtirol.
Am 3. Juli 2022 löste sich um 13.43 Uhr ein riesiger Brocken aus einem Gletscher oberhalb des Fedaia-Passes. Rund 63 300 Kubikmeter Eis donnerten ins Tal und rissen Felsen und Steine mit sich. Etliche Bergsteiger wurden auf der Hauptaufstiegsroute von den Wasser- und Geröllmassen erfasst, neun Italiener und zwei Tschechen kamen ums Leben. Ein Mann und eine Frau aus Deutschland wurden schwer verletzt.
Das grosse Loch in dem Gletscher ist weiterhin gut sichtbar. Nach bisherigen Erkenntnissen gehen Experten davon aus, dass die hohen Temperaturen im vorigen Frühsommer sowie viel Wasser innerhalb des Gletschers zum Zusammenbruch geführt haben. Wissenschaftler wollen weitere Untersuchungen an der Unglücksstelle durchführen.
Ein strafrechtliches Verfahren wegen möglicher Vergehen der Behörden wurde im Juni abgelehnt. Ermittlungen der Staatsanwaltschaft von Trient und Gutachten von Experten ergaben, dass das Unglück nicht vorhersehbar war. Ein Vorermittlungsrichter stimmte den Einschätzungen zu und legte die Causa zu den Akten.
Dies hält der Extremalpinist Reinhold Messner für die richtige Entscheidung. Erfahrene Bergführer hätten zwar ahnen können, dass dieser Gletscher vor dem Zusammenbruch stand, sagte der Südtiroler der italienischen Zeitung «La Repubblica» am Sonntag. «Aber den genauen Zeitpunkt konnte niemand vorhersehen.» Der 78-Jährige betonte, dass es in den Bergen nie eine absolute Sicherheit gab. Der Klimawandel aber bringe Folgen mit sich, etwa dass Eis und Permafrost als Stabilisatoren zurückgehen. «Die Alpen sind eine zunehmend fragile, schwierigere und riskante Gegend», unterstrich Messner.
An der Marmolata könnten bestimmte Wege nahe der Unglücksstelle deshalb künftig gesperrt werden, falls die Behörden Zweifel an der Sicherheit haben. Ein generelles Zugangsverbot zum «König der Dolomiten», wie der 3343 Meter hohe Berg genannt wird, werde es aber anders als unmittelbar nach dem Unglück nicht geben, stellte Giovanni Bernard, der Bürgermeister der Gemeinde Canazei, zuletzt klar.