Von Tränen, Tattoos, Katzen und Bier
Die Tschechin Marketa Vondrousova triumphiert als erste ungesetzte Spielerin in Wimbledon. Ein Gips, viele Tattoos, Tränen, ein verdientes Bier und eine einsame Katze spielen dabei eine Rolle.
«Vor einem Jahr trug ich noch einen Gips», erinnerte sich Marketa Vondrousova nach dem 6:4, 6:4-Finalsieg am Samstag gegen die Tunesierin Ons Jabeur ungläubig. Verletzungen hatten die 24-jährige Linkshänderin immer wieder begleitet und zurückgeworfen. Im letzten Jahr besuchte sie Wimble-don mit dem linken Handgelenk im Gips, um eine Freundin in der Qualifikation zu unterstützen – und Sightseeing zu machen. Rasen war nie die bevorzugte Unterlage der Tschechin aus Sokolov, rund 30 Kilometer südlich des ostdeutschen Skisprung-Mekkas Klingenthal, im Final hatte sie aber die besseren Nerven als die Weltnummer 6 Jabeur.
Damit ist auch klar, dass der Tattoo-Fan, der sich das erste Motiv mit 16 Jahren stechen liess, weitere Verzierungen erhält. Und, wohl zu dessen Horror, auch Coach Jan Mertl. «Wir hatten ausgemacht, dass wir uns beide ein neues Tattoo machen lassen, wenn ich gewinne », erzählte Vondrousova nach dem von keinem erwarteten Sieg. Mindestens zehn Tattoos trägt sie sichtbar an beiden Armen, manche rein dekorativ, aber auch solche mit einer Botschaft wie «kein Regen, keine Blumen». Ein Hinweis auf den oft dornenreichen Weg nach oben, der sie am Montag erstmals in die Top Ten führen wird. «Ich glaube, jetzt gönne ich mir ein paar Bier», meinte Vondrousova. «Die letzten zwei Wochen waren anstrengend. » Gut 2,6 Millionen Franken Preisgeld dürften für einige Bier reichen. «Auf jeden Fall werde ich auch noch einen guten Fisch kaufen», versprach sie noch.
Zu nervös fürs Stadion
Der Fisch ist für Frankie. Während ihr Vater und ihre Schwester für den Final nach London reisten, schaute die Mutter in Tschechien nach Vondrousovas Katze. Auch weil sie nach zwei verlorenen Finals ihrer Tochter – am French Open 2019 gegen Ashleigh Barty und bei Olympia 2021 in Tokio gegen Belinda Bencic – zu nervös gewesen wäre, um im Stadion zu sitzen.
Seltene Tränen gab es nach dem Final bei Vondrousovas Ehemann Stepan. «In über acht Jahren sehe ich ihn zum ersten Mal so emotional», meinte sie schmunzelnd. «Er hat geweint. Ich glaube, das tat er auch bei unserer Hochzeit, aber das ist es dann auch schon.» Der Hochzeitstag jährte sich am Sonntag zum ersten Mal. Besser könnte das Timing nicht sein. Tränen gab es auch bei der unterlegenen Gegnerin. Ons Jabeur verpasste es auch in ihrem dritten Grand-Slam-Final, den ersten Sieg einer Afrikanerin zu holen. «Das ist die schmerzhafteste Niederlage meiner Karriere», gestand die 28-jährige Tunesierin. Der Sport schreibt Märchen, sorgt aber auch für Albträume.