«Mich motiviert es, etwas verändern zu können»
mit Ancillo Canepa sprach Sascha Fey
Ancillo Canepa, 2022 wurde der FCZ überraschend Schweizer Meister, in der vergangenen Saison schaute dann nur der 8. Platz heraus. Was ergab die Analyse, welches waren die Hauptgründe für den Absturz?
Natürlich sind es verschiedene Gründe. Einer ist der Trainerwechsel. Wir entschieden uns bewusst für einen weniger emotionalen Trainer wie Breitenreiter, unterschätzten jedoch ehrlich gesagt, dass Foda die vorangegangenen fünf Jahre als National-coach einen anderen Job als ein Klubtrainer hatte. Unglücklich war auch, dass Foda das funktionierende System geändert hat. Es wäre besser gewesen, er hätte dieses allenfalls Schritt für Schritt angepasst. Auch der Europacup spielte eine Rolle. Die zwölf zusätzlichen Partien und die vielen Reisen führten dazu, dass wir nicht regelmässig normal trainieren konnten. Dies wäre gerade auch wegen des Systemwechsels wichtig gewesen.
Dann folgte eine Steigerung.
In der zweiten Saisonhälfte entwickelten wir uns gut, abgesehen von einem zwischenzeitlichen Hänger. Es darf allerdings nicht vergessen werden, dass wir in der Europa League die Gruppenphase erreicht haben. Das war für uns nicht nur sportlich, sondern auch wirtschaftlich wichtig. So oder so gilt es nun, nach vorne zu schauen.
Mitte Juni wurde bekannt, dass Sportchef Marinko Jurendic den Verein in Richtung Augsburg verlässt. Kam das für Sie überraschend?
Das ist sicher nicht optimal. Überraschend war es insofern nicht, als er mich schon zwei Monate zuvor darüber informiert hatte, dass Augsburg Interesse an ihm habe. Meine Begeisterung hielt sich natürlich in Grenzen, ich wollte es ihm jedoch nicht ausreden, da der Sprung in die Bundesliga für jeden Deutschschweizer ein grosses Ziel ist. In der Folge hörte ich eine Zeitlang nichts mehr. Von daher war das Thema für mich eigentlich abgehakt, bis er vor zwei Wochen zu mir gekommen ist und sagte, diese Herausforderung annehmen zu wollen. Wir sind offenbar auf verschiedenen Ebenen ein Ausbildungsverein. Gewisse Arbeiten sind schon gemacht, aber natürlich, die heisse Transferphase kommt erst noch.
Gross tätig wurden Sie bisher auf dem Transfermarkt nicht. Warten Sie noch zu, oder ist Kontinuität Trumpf?
Beides. Wenn jedes Jahr das Kader durchgewirbelt wird, ist keine richtige Entwicklung möglich. Es ist wichtig, eine Formation zu finden, die eingespielt ist. Deshalb wollten wir nicht alles über den Haufen werfen. Aber es ist sicher möglich, dass noch der eine oder andere geht oder kommt.
2005 wurden Sie beim FCZ in den Verwaltungsrat gewählt, ein Jahr später folgte der Aufstieg zum Präsidenten und seit 2013 sind Sie auch noch Mehrheitsaktionär des Vereins. Welches sind die wichtigsten Werte, die Sie hineingebracht haben?
Für mich gibt es einen Oberbegriff, das ist Integrität. Für mich ist zentral, offen, ehrlich und direkt zu sein. Das erwarte ich im umgekehrten Fall auch, was allerdings nicht immer der Fall ist. Dann reagiere ich kurz und schmerzlos.
Sie haben mit vier Meistertiteln, drei Cupsiegen und der Teilnahme an der Champions League 2009 schon einige Erfolge gefeiert. Gibt es für Sie ein absolutes Highlight?
Die Teilnahme an der Champions League. Es hängt damit zusammen, dass ich in meinem ersten Interview als Präsident gesagt habe, dass ich in die Champions League wolle. Das war dann am nächsten Tag die Schlagzeile. In der Folge brach ein Shitstorm über mich herein, wurde ich als Spinner bezeichnet, als jemand, der keine Ahnung vom Fussball hat. Drei Jahre später spielten wir vor ausverkauftem Haus gegen Real Madrid, das Spiel wurde in 70 Ländern live übertragen. Wenn man etwas will und noch etwas Glück hat, kann viel erreicht werden. In der Schweiz ist jedoch Vorsicht geboten, Ziele öffentlich zu machen, sonst wird dir das ständig um die Ohren gehauen, was eigentlich schade und auch kontraproduktiv ist.
In Ihrem Amt müssen Sie auch schwierige Entscheide treffen, wie Trainer zu entlassen. Wie nah geht Ihnen das?
Sehr nah. Das unterschätzen viele Leute, auch Journalisten, schliesslich wird eine persönliche Beziehung zu den Trainern oder den Sportchefs aufgebaut. Man kennt die Frauen, die Kinder und und und. Dann einen Wechsel vollziehen zu müssen, ist nie lustig. Aber das Schöne ist, dass ich mit fast allen ehemaligen Trainern heute immer noch ein sehr kollegiales Verhältnis habe. Es ist mir wichtig, mit Anstand auseinanderzugehen.
Von 2006 bis 2009 gewannen Sie dreimal den Meistertitel und wurden einmal Dritter. In vier der letzten fünf Saisons kamen sie nicht über den 7. Rang hinaus. Ist es auf dem Platz Zürich überhaupt möglich, konstant vorne dabei zu sein?
Das ist eine berechtigte Frage, die uns natürlich permanent beschäftigt. Einerseits ist der Standort Zürich attraktiv, es ist jene Stadt der Schweiz mit der grössten internationalen Ausstrahlung. Aber hier Profifussball zu betreiben, ist wirklich nicht einfach. Wir verfügen über kein Fussballstadion, zudem gibt es immer wieder Überschneidungen mit anderen Events. In all den Spielen, in denen wir in ein anderes Stadion ausweichen mussten, liessen wir Millionen liegen. Aber ich muss betonen, Zürich ist eine absolute Fussballstadt. Wir geniessen sehr viele Sympathien, hatten in der letzten Saison einen Schnitt von fast 16000 Zuschauern.
Sie sind jemand, der viel Leidenschaft in den Verein steckt. Insofern dürfte Sie die ganze Stadionsituation umso mehr frustrieren?
Als ich 2006 anfing, hätte das damalige Projekt 2009 fertiggestellt sein sollen. Von nun vier Abstimmungen wurden drei gewonnen. Wir haben eine Demokratieform, in der es Instrumente gibt, die missbräuchlich ausgenutzt werden können. Dass wir nun immer noch kein Stadion haben, beschert uns einen Einnahmeausfall von etwa fünf Millionen Franken pro Saison. Ir-gendwann ist Profifussball in Zürich nicht mehr finanzierbar, ausser es werden ausländische Investoren geholt. Doch ist das im Sinn der Gesellschaft in der Stadt Zürich?
Sie waren lange auch Komitee-Mitglied in der Swiss Football League. Wie zufrieden sind Sie mit der Entwicklung der Liga?
Die Liga hat sich extrem gut entwickelt. Es gibt deutlich mehr Zuschauer als früher, wir stellten den Fernsehvertrag auf neue Beine. Mit der Erhöhung der Anzahl Mannschaften machten wir den nächsten Schritt. Ich war diesbezüglich einer der Exponenten, wie auch bei der Einführung der Barrage. Diese hat die Attraktivität der Challenge League erhöht.
Gibt es etwas, das für Sie unbedingt besser werden muss?
Der Fernsehvertrag, da müssen wir den nächsten Schritt machen. Was die einzelnen Vereine erhalten, sind Brosamen.
Sie feierten kürzlich den 70. Geburtstag und wirken immer noch sehr fit. Hält Sie der Fussball jung?
Mein Problem war früher immer, dass ich jünger aussah, als ich war. Als Berater von grossen Konzernen war das nicht von Vorteil. Bis jetzt hat mich das Alter nie beschäftigt, aber wenn ich die Zahl 70 sehe, denke ich, das ist doch nicht möglich. Ich fühle mich nicht dermassen alt, wenn ich mit den Jungen zusammen bin, bin ich einer von ihnen. Zudem spiele ich einmal pro Woche Fussball. Es ist alles relativ.
Sich zur Ruhe zu setzen, ist für Sie also kein Thema?
Überhaupt nicht. Es gibt noch so viel zu erledigen. Aber klar, irgendwann ist unsere Zeit vorbei. Unser Ziel ist, dafür zu sorgen, dass der Verein am TagX nachhaltig weitergeführt werden kann. Ich möchte, dass der FC Zürich auch in Zukunft in der Stadt Zürich eine wichtige Rolle spielt und weiterhin eine Identifikation mit dem Verein möglich ist.
Zum Schluss nochmals zurück zur bevorstehenden Meisterschaft. Was macht Sie zuversichtlich, dass die Mannschaft diesmal besser abschneiden wird?
Das Gerüst bleibt zusammen, wir müssen nicht bei null beginnen. Die jungen Spieler verfügen über ein Jahr mehr Erfahrung, wir werden den einen oder anderen als Stammspieler sehen. Zweitens konnte der Trainer (Bo Henriksen) die gesamte Vorbereitung bestreiten. Aber es braucht wie jedes Jahr auch etwas Glück.
Für den FC Zürich ist in der kommenden Saison Wiedergutmachung angesagt. Präsident Ancillo Canepa blickt zurück und voraus, und spricht über die Schwierigkeiten, die sein Amt mit sich bringt.