«Ich ziehe Revanchen vor»
Stefan Strebel trägt als Eidgenössischer Technischer Leiter am Unspunnenfest zum dritten Mal die Verantwortung für ein grosses Fest. Auch hat er das Privileg, die Paarungen des ersten Gangs zu bilden.
Stefan Strebel, Sie haben nun schon zwei grosse Feste geleitet und dabei jeweils den ersten Gang eingeteilt, am Kilchberger Schwinget 2021 und am Eidgenössischen in Pratteln 2022. Haben Sie für das Unspunnenfest in Interlaken Erkenntnisse gezogen, die Sie nun weiterbringen?
«Ich habe nach diesen Festen jetzt schon einen Rucksack. Als Funktionär kommt man in diesem Sport von unten nach oben. Und so wird der Rucksack immer grösser. Wenn du in der Einteilung gewisse Situationen antriffst, kannst du die Erfahrung hervorholen.»
Es gibt bei der Einteilung des ersten Gangs an so bedeutenden Festen zwei Ansätze. Der Eidgenössische Technische Leiter kann den Zuschauern Revanchen zu früheren Duellen präsentieren, oder er kann Paarungen von Schwingern bilden, die noch nie gegeneinander geschwungen haben.
«Ich lege mich lieber auf Revanchen fest. Vielleicht gab es in der Vergangenheit Spitzenduelle, die gestellt ausgingen, sodass solche Duelle eigentlich noch nicht beendet sind. Ich schaue viel weniger darauf, ob zwei Böse schon sechs, sieben Jahre nicht mehr gegeneinander angetreten sind oder überhaupt noch nie.»
Plan B auch für Interlaken
Vor dem Eidgenössischen in Pratteln wusste man bis zuletzt nicht, ob Schwingerkönig Christian Stucki nach seinen Verletzungen antreten würde. Sie hielten damals zwei Varianten der Einteilung parat. Jetzt vor Unspunnen ist erneut die Teilnahme des Schwingerkönigs, Joel Wicki, nicht gesichert. Wie gehen Sie damit um?
«Ich habe die obersten zehn Paarungen für mich schon eingeteilt. Und tatsächlich habe ich auch diesmal einen Plan B bereit. Ich glaube aber, dass der Entscheid von Joel Wicki früher kommen wird, sodass ich dann beizeiten weiss, ob er antreten kann oder nicht.»
Wie es scheint, sind alle ganz Bösen mit Ausnahme von Joel Wicki, Stand heute, an Bord. Das ist erfreulich und nicht selbstverständlich.
«Vor dem Unspunnenfest findet noch der Schwägalp-Schwinget statt, da muss man immer vorsichtig sein. Aber im Moment gehe ich tatsächlich davon aus, dass mit Ausnahme von Wicki alle gesund sind.»
Youngsters mit Perspektiven
Wie beurteilen Sie die sportliche Situation, nachdem nun fast alle Kranzfeste der Saison absolviert sind? Sie müssen als Eidgenössischer Technischer Leiter in einer neutralen Position sein, obwohl Sie vom Nordwestschweizer Verband kommen.
«Im Lauf der Zeit habe ich verschiedene Hüte getragen, jetzt trage ich den des eidgenössischen Verbandes. Meine Aufgabe ist es zu schauen, dass es spannend bleibt und dass fair eingeteilt wird. In diesem Jahr sind überraschend viele junge Schwinger von 17 bis 20 Jahren nach vorne gestossen, und zwar Junge aus verschiedenen Teilverbänden. Das ist sehr erfreulich. Fabian Staudenmann hat den Schritt zum Seriensieger gemacht, aber das ist für mich keine Überraschung. 2022 war er fast immer Zweiter gewesen. In diesem Jahr haben wir viele Schwinger, die für den Sieg an Unspunnen realistischerweise in Frage kommen. Und wer jetzt wie Staudenmann viele Kranzfeste gewonnen hat, muss in dieser breiten Konkurrenz an Unspunnen noch einmal etwas drauflegen. Das macht Unspunnen besonders spannend.»
In dieser Saison sind viele ganz Junge aus verschiedenen Verbänden aufgetaucht, wie Sinisha Lüscher, Michael Moser, Noe van Messel oder Romain Collaud, der sogar schon Eidgenosse ist. In zwei Jahren wird im Glarnerland das zweite und letzte Eidgenössische stattfinden, das Sie leiten. Was trauen Sie solchen Youngsters für 2025 zu?
«Ich traue ihnen einiges zu. Sie werden in diesen zwei Jahren noch an Reife gewinnen. Sie werden dort auf jeden Fall verschiedenen Favoriten ein Bein stellen können.»
An Unspunnen wird es in jedem Fall einen Festsieger geben, vielleicht sogar mehrere wie am letzten Kilchberger Schwinget. In Pratteln drohte plötzlich der Super-GAU. Hätte der Schlussgang zwischen Wicki und Aeschbacher keinen Sieger ergeben, hätte wohl kein Schwingerkönig ausgerufen werden können. Wie haben Sie diese Minuten in Pratteln erlebt?
«Ich kam während des Schlussgangs wirklich ins Schwitzen. Ich wollte von unserem Obmann Markus Lauener laufend wissen, wie lange der Gang noch geht. Dann war es für mich eine richtige Befreiung, als es eine Entscheidung gab. Aber: Bei einem Remis im Schlussgang hätten wir eine Lösung parat gehabt, die wir sofort hätten ausrufen können. Ich will diese Lösung hier nicht nennen.»
Kampfrichter gehen mit Kritik gut um
Was halten Sie davon, dass die Kritik an den Kampfrichtern zuletzt immer lauter geworden ist?
«Fehler der Kampfrichter gehören zum Schwingen. Und es gibt heute auch nicht mehr Fehler als früher. Das Ganze ist mit den Fernsehbildern einfach transparenter geworden. Dafür gilt auch der Dank an die Fernsehstationen. Dadurch sind aber die Kampfrichter exponiert. Man kann sofort alles analysieren. Ich weiss, dass unsere Kampfrichter in den letzten Jahren dank einer besseren Schulung besser geworden sind. Sie machen eher weniger Fehler. Aber die Fehler treten am Fernsehen zutage und führen zu Diskussionen. Der Schwingsport und ich persönlich haben mit diesen Diskussionen kein Problem. Es soll so sein, man soll ja diskutieren dürfen. Das macht unseren Sport spannend. Und das Schwingen ist ja recht populär.»
Sind die Platzkampfrichter nicht verunsichert, wenn sie wissen, dass ihre allfälligen Fehler aufgedeckt werden?
«Das sehe ich nicht so. Unsere Kampfrichter sind ehrgeizig und wollen im Fokus stehen. Sie sind genau wie die Schwinger stolz, wenn sie an ein Brünigfest oder an ein Eidgenössisches gehen können. Wenn die Kampfrichter an Unspunnen mittun können, ist dies ein Leistungsausweis. Sie halten dem Druck auf jeden Fall stand.»
Und wie gehen Sie Ihrerseits mit dem Druck um, dem Sie als höchster technischer Verantwortlicher ausgesetzt sind?
«Wenn du das Amt des Eidgenössischen Technischen Leiters annimmst, musst du ein Rückgrat und breite Schultern haben. Du musst mit Kritik und mit einem Druck umgehen können, der von vielen Seiten kommt. Natürlich wurde ich gut vorbereitet, denn ich war schon 15 Jahre lang Funktionär, bevor ich das Amt annahm. Es gibt nur eines: sein Bestes geben und ein dickes Fell haben.»
Um Sieg, Ränge und Ehre
An allen wichtigen Festen werden Kränze abgegeben, jedoch nicht in Kilchberg und nicht an Unspunnen. Ist das nicht paradox? Keine Kränze an den wichtigsten zwei Festen nach dem Eidgenössischen?
«Das sehe ich nicht so. Es ist gut, wie es ist. Am Kilchberger Schwinget und am Unspunnenfest geht es um den Sieg, um vordere Ränge und vor allem auch um die Ehre. Diese Feste finden alle sechs Jahre statt. Sie werden auch als Revanchen für die Eidgenössischen angesehen.»