Alles eine Ansichtssache: Markus Raetz im Kunstmuseum Bern
Dreieinhalb Jahre nach seinem Tod erhält Markus Raetz die erste umfangreiche posthume Retrospektive. Das Kunstmuseum Bern zeigt seine dreidimensionalen Arbeiten und Mobiles unter dem Titel «Markus Raetz. oui non si no yes no».
Mit seinem feinen, poetischen und verspielten Werk gehörte Raetz zu den wichtigsten Vertretern der Schweizer Gegenwartskunst, wie das Kunstmuseum Bern am Mittwoch in Erinnerung rief.
Markus Raetz begann seine Karriere in den 1960er-Jahren im Medium der Zeichnung. Es sollte das Fundament für seinen künstlerischen Gedankenprozess bleiben. In einem Interview von 2007 sagte er: «In jedem Fall ist Zeichnen fast immer der erste Schritt – auch bei den Skulpturen. Was zu ihnen führt, führt über die Zeichnung.»
In den 1970er-Jahren fand Raetz zu einer charakteristischen Arbeitsweise, um seine zeichnerischen Elemente in den Raum zu übersetzen. In Notizbüchern und frühen Installationen vereint die Ausstellung zahlreiche Motive, die sich in Raetz’ dreidimensionalen Objekten wiedererkennen lassen. So wird nicht nur die zentrale Rolle der Zeichnung als Ideenspeicher, sondern auch als Werkzeug zur Raumvorstellung deutlich.
Unter den wiederkehrenden Motiven aus dem zeichnerischen Repertoire findet sich etwa die «Strichfigur» Mimi. Die Plastik besteht aus 14 schweren Hölzern und ist auf den ersten Blick nicht als menschliche Figur zu erkennen. Es ist eine archaisch anmutende, aber auch verletzlich wirkende Gestalt.
Oui oder Non
Das Thema der Metamorphose bestimmte Raetz’ dreidimensionales Werk ab den späten 1980er-Jahren. Das Motiv verwandelt sich bei der Metamorphose in eine völlig andere Gestalt.
Bei diesen ausgeklügelten und humorvollen Objekten handelt es sich oft um Plastiken auf einem extra dafür vorgesehenen Sockel. Sie sind so konzipiert, dass sie von jedem Standpunkt aus andere Bilder zeigen und sich erst beim Rundgang um das Werk vollständig erschliessen.
Beuys und der tote Hase
Das Werk Hasenspiegel (1988/2000) besteht aus feinem Kupferdraht, einem Spiegel und sitzt auf einem Holzstück. Es zeigt einen Hasen vor einem Spiegel. Wenn man ihn umkreist, verwandelt er sich zu einem Mann mit Hut. Auch sein Spiegelbild wandelt sich.
Gemeint ist nicht irgendein Mann, sondern der Künstler Joseph Beuys. Markus Raetz spielt auf dessen Kunst-Aktion «Wie man dem toten Hasen die Bilder erklärt» aus dem Jahr 1965 an.
Eine Besonderheit der metamorphischen Objekte bilden Wortplastiken, die jeweils zwei gegensätzliche Bedeutungen in sich vereinen. Die berühmten OUINON-Skulpturen gaben der Ausstellung ihren Titel.
Mobiles als Spätwerk
Ab Mitte der 1990er-Jahre setzte der Künstler seine Objekte in Bewegung. Gleichzeitig begann Raetz mit einer Gruppe von feinen Mobiles, die sein Spätwerk massgeblich prägen sollten. Wo gerade noch eine Flasche zu sehen war, erscheint im nächsten flüchtigen Moment bereits ein Glas.
Das Kunstmuseum Bern zeigt in seiner Retrospektive zum ersten Mal eine von Markus Raetz geplante, aber bisher noch nie ausgeführte Rauminstallation, die er in Skizzen «Wolke» (2020) nannte. Die Ausstellung ist von diesem Freitag bis zum 25. Februar 2024 zu sehen.