Westschweizer Behandlung psychisch kranker Häftlinge war veraltet
Der medizinische Leiter der Genfer Hafteinrichtung Curabilis hat zum Jahrestag der Ermordung von Adeline starke Kritik an den damaligen Zuständen geäussert. Auch heute gibt es noch Verbesserungspotenzial, wie Panteleimon Giannakopoulos in einem Interview sagte.
Die Westschweiz habe sich damals um Jahre im Hintertreffen in der Behandlung gefährlicher Personen mit psychischen Störungen befunden, sagte Giannakopoulos im am Dienstag publizierten Interview mit der Westschweizer Zeitung «Tribune de Genève». Im Nachhinein sei eine schonungslose Kritik an den Geschehnissen von vor zehn Jahren möglich.
Auf der anderen Seite des Röstigrabens, in der Deutschschweiz, sei damals schon eine umfassende Betreuung angeboten worden. Die Westschweiz sei sowohl bei den Strukturen als auch dem Inhalt der Betreuung hinterhergehinkt, sagte er.
Das Wohlwollen vor der Ermordung Adelines sei teils naiv gewesen, sagte Giannakopoulos. Damals habe man sich nicht genug für ein Gleichgewicht zwischen der psychischen Erkrankung der Insassen, ihrer Resozialisierung sowie der Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit interessiert.
Die Wiedereingliederung von Häftlingen habe sich seit dem Tötungsdelikt verbessert. Dennoch räumte Giannakopoulos ein, dass es bei Personen, die eine Haftstrafe verbüssen, «Spielraum für Verbesserung» gebe. Auf Details zu möglichen Verbesserungen ging er im Interview nicht ein.
Die Sozialtherapeutin Adeline war am 12. September 2013 während eines Freigangs von einen Häftling getötet worden. Er entführte sie in einen Wald und schnitt ihr die Kehle durch. Danach flüchtete er. Der Täter war wegen zwei Vergewaltigungen zu einer Freiheitsstrafe von zwanzig Jahren verurteilt worden. Er sass in La Pâquerette ein. Das Zentrum wurde nach dem Tötungsdelikt geschlossen und durch die modernere Anstalt Curabilis ergänzt. Der Täter wurde zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe und einer ordentlichen Verwahrung verurteilt.