«Die Decke brannte»: Etwa 100 Tote bei Hochzeitsfeier im Irak
Das Brautpaar tanzte langsam zur Musik, als die Decke in Flammen aufging: Bei einem Brand während einer Hochzeitsfeier im Irak sind jüngsten Angaben zufolge mindestens 93 Menschen ums Leben gekommen und 100 weitere verletzt worden.
Das sagte Gesundheitsminister Salih al-Hasnaui laut einem Bericht der Staatsagentur INA nach der Katastrophe im Ort Al-Hamdanija in der Nacht zum Mittwoch. Der Gouverneur der Provinz Ninive, Nadschim al-Dschaburi, sprach dagegen von 114 Toten und 200 Verletzten.
Der Hochzeitsabend wurde zur Tragödie, als Petarden leicht entflammbares Material in der Halle entzündeten. Videos in sozialen Netzwerken zeigten Gäste noch kurz vor dem Brand beim Tanzen und plaudernd an Tischen. Als jemand laut ersten Erkenntnissen des Innenministeriums Feuerwerk zündete, fielen brennende Teile von der Decke.
Hochzeitsgäste sprangen von Tischen auf und versuchten, sich in Sicherheit zu bringen, wie in einem Video zu sehen ist. Das Hochzeitspaar steht wie unter Schock auf der Tanzfläche, wo auch eine Live-Band spielte.
«Tragisch, schrecklich und nicht zu vergessen», beschrieb die 76 Jahre alte Laila China den Brand, den sie überlebte, der Nachrichtenagentur DPA. Ein anderer Überlebender sagte im Fernsehen, beim Brand sei es zu einer Massenpanik gekommen. Einige Gäste seien gestürzt, sagte er der Nachrichtenseite Alsumaria. «Wir schafften es nach draussen. In diesen Momenten fiel das brennende Dach auf die Gäste.»
Die Cousine des Bräutigams beschrieb die Momente im örtlichen Fernsehsender Al-Mauslija vom Krankenbett aus. «Sie (das Paar) tanzten langsam, während Kerzen warmes Licht abgaben», sagte die Frau, gehüllt in eine Decke, während ihre Schminke und glitzerndes Ballkleid an die Nacht erinnerten. «Als wir sahen, dass die Decke brannte, sind wir alle davongelaufen.» Augenzeugen sagten später, das Brautpaar habe überlebt.
«Der Brand führte zum teilweisen Einsturz der Halle, weil hoch entzündbare, billige Baustoffe genutzt wurden, die bei einem Feuer innerhalb von Minuten kollabieren», teilte die Zivilschutzbehörde mit. Die Verwendung der Materialien habe gegen Sicherheitsauflagen verstossen, zudem habe die Halle kein vorgeschriebenes Alarmsystem gehabt. Auch Innenminister Abdel Amir al-Schammari sagte, Feuerwerk habe den Brand ausgelöst und zum Einsturz des Daches geführt. In der Halle habe es an Sicherheitsvorkehrungen gemangelt, sagte er INA zufolge.
Rettungskräfte suchten unter Schutt und Trümmern der ausgebrannten Halle nach Überlebenden. Scharenweise Menschen sammelten sich nachts vor dem Unglücksort. Örtliche Fernsehsender zeigten Bilder von mit Tüchern bedeckten Leichen und Krankenwagen.
Der Sprecher des Gesundheitsministeriums, Saif al-Badr, sagte am frühen Morgen, die Lage sei unter Kontrolle. Die Abgeordnete Ichlas al-Dulaimi sprach im Interview mit dem TV-Sender Rudaw von einem «grossen Desaster». Gouverneur Al-Dschaburi ordnete in der Provinz eine einwöchige Trauer an und liess die aktuell anstehenden Feiern zu Ehren des Propheten Mohammed vorerst absagen.
Al-Hamdanija, auch Karakusch genannt, liegt nahe Mossul im Nordwesten und etwa fünf Autostunden von der Hauptstadt Bagdad entfernt. Warum beim Bau der Halle hoch entzündliches Material zum Einsatz kam, blieb zunächst unklar. Korruption und Misswirtschaft im Irak betreffen aber auch den Bausektor – mit Folgen. 2021 kamen bei zwei schweren Bränden in Krankenhäusern mehr als 170 Menschen ums Leben.
Laut Innenministerium wurden neun Arbeiter, die am Bau der Halle beteiligt waren, festgenommen. Zudem wurden Haftbefehle gegen vier Besitzer des Veranstaltungsorts erlassen. Ein Untersuchungsausschuss soll die genauen Umstände des Unglücks klären. Hinweise auf einen möglichen kriminellen Hintergrund gab es zunächst nicht.
Iraks Ministerpräsident Mohammed al-Sudani wies das Innen- und das Gesundheitsministerium an, den Betroffenen alle mögliche Hilfe zur Verfügung zu stellen. Zudem rief er eine dreitägige landesweite Trauer aus. Präsident Abdul Latif Raschid bezeichnete den Vorfall als «schmerzhafte Tragödie». Die UN-Unterstützungsmission im Irak zeigte sich «schockiert und schmerzerfüllt».