Maskenbildnerin Miriam Blank gestaltet Haare, Haut oder Zähne
Miriam Blank aus Bern ist freischaffende Maskenbildnerin. Wunden, Schnitte, Schussverletzungen oder Hautkrankheiten sind ihre Leidenschaft. Beim Film ist sie zuständig für alle Äusserlichkeiten, die die Charaktergestaltung betreffen. Ein Besuch im Atelier.
Worblaufen bei Bern, an einem Samstagmorgen: Die Aare führt bedrohlich viel Wasser, grünes Wasser, es regnet in Strömen. Die Szene ist düster und könnte aus einem Film stammen. Miriam Blank sitzt im Atelier und ist froh, dass das kein Filmset ist. Sie wäre angespannt bei so viel Regen, der vom Himmel fällt – Frisuren und Schnäuze müssten dauernd gerichtet werden, neues Make-up aufgetragen und Tropfen abgewischt werden.
Im Ausland, zum Beispiel in Tschechien oder England habe die Filmindustrie ein anderes Gewicht als in der Schweiz. Die 42-Jährige erzählt, dass das Departement Maskenbild dort riesig sei. Es gebe Perückenmacher oder Leute, die darauf spezialisiert sind, Augenbrauen auf Silikonpuppen zu stechen. Manche bauen nur verwundete Körperteile, andere wiederum schminken Schauspielerinnen und Schauspieler auf dem Set, wo Teams im Mehrschichtbetrieb arbeiten. In der Schweiz ist dieser Markt kleiner.
Künstliche Körperteile
Als Maskenbildnerin ist Miriam Blank zuständig für alles, was die Charaktergestaltung betrifft. Make-up, Haararbeiten sowie sämtliche Veränderungen von Haut oder Zähnen. Spezialisierungen gibt es eher im kleinen Stil. Sie und ihre Kolleginnen, die sich mit ihr das Atelier teilen, investieren ihre Kenntnisse hauptsächlich in Prosthetics und Dummies.
Übersetzt bedeutet das «Prothesen», also künstliche Körperteile. Konkret handelt es sich um «Zeug, das man ankleben kann» und hyperrealistische Körperteile, wie Miriam Blank sagt. Wunden, Schnitte, Schussverletzungen, Hautkrankheiten – das ist ihr Schwerpunkt. Sie hat dafür einen grossen Fundus an Negativformen.
Diese Szene ist in der Schweiz überschaubar. Man schanze sich gegenseitig Jobs zu, auch ausserhalb der Filmszene, zum Beispiel für die medizinische Fakultät einer Universität oder für die Polizeischule, erzählt Miriam Blank und zeigt auf ein Bein, das auf einem Tisch liegt.
Ein behaartes Bein. Es ist demjenigen einer Schauspielerin aus einem historischen Film nachempfunden. Vielleicht wächst nicht jedes Härchen millimetergenau am richtigen Ort, aber wohl fast. Wichtiger ist Blank sowieso der Zeh, der abgetrennt wurde, und die blutigen Stellen, die sich daraus ergeben. Die Maskenbildnerin liebt solche Effekte.
Oft recherchiere sie, wie eine Narbe richtig aussehen muss. Das modelliert sie dann nach, bis sie zufrieden ist. Es scheint ihr nicht zu grausen ob all der blutigen Szenen, die sie dadurch anschaut. «Ich arbeite gerne mit Materialien. Silikon, Gips, modellieren mit Modelliermassen.»
Ihre Leidenschaft sei schon ein bisschen «nerdig», räumt sie ein. Oft arbeitet sie bis in die Nacht hinein. Selbst wenn keine Dreharbeiten anstehen, sind die Tage lang. Der Job ist hart. Manchmal frustrierend, vor allem unterwegs. «Der Drehplan bestimmt dann das Leben», sagt Miriam Blank.
Auch ein Bürojob
Bevor sie auf einem Filmset Leute schminkt, passiert viel. Sie bekommt eine Anfrage und liest ein Drehbuch. Mag sie es, sagt sie zu und beginnt erst einmal, Fragen zu stellen: Muss man Blut sehen, wie entstehen Wunden, wurde die Person angeschossen oder mit einem Messer gestochen, geht es ihnen (den Figuren) gut? Sind sie eher verwahrlost oder gepflegt, brauchen sie eine Perücke oder falsche Wimpern?
Sitzungen mit der Regie folgen. Miriam Blank und ihre Kolleginnen entwickeln den Look der Figuren, machen Vorschläge und beginnen allenfalls, Körperteile zu modellieren und Wunden aus Silikon anzufertigen oder Perücken zu knüpfen.
In dieser Phase ist Maskenbild auch ein Bürojob. Es gilt, zu recherchieren, Pläne und Listen zu erstellen. Auch während dem Dreh führt das Maskenbildnerin-Team eine Art Tagebuch. Jede Szene wird akribisch genau beschrieben und fotografiert. Weil nie chronologisch gedreht wird, müssen alle abgedrehten Szenen sofort auffindbar sein. Etwa, um eine Frisur genau nachzubauen, oder einen auffälligen Lidstrich nachzuzeichnen. Nach jeder Szene werden die Schauspielenden von allen Seiten fotografiert. Denn es dürfen keine Anschlussfehler passieren.
Lange Ausbildung
Ihre Ausbildung sei klassisch gewesen, wie sie sagt, und vor allem: lang. Drei Jahre Ausbildung zur Coiffeuse, dann drei Jahre an einer Privatschule in Berlin, um Maskenbildnerin zu werden. Diese Jahre hat Miriam Blank als chaotisch in Erinnerung. Nebenbei hat sie viel gearbeitet, bis zum Umfallen manchmal, unter anderem als Friseurin für 5 Euro die Stunde, um ihren Traum zu finanzieren. Schon damals fand sie Spezialeffekte am spannendsten. Deshalb hat sie in entsprechenden Studios gearbeitet.
Das ist auch im Gang ihres Ateliers zu sehen, einer Art wall of fame: Kinoplakate von «Wilder» sind zu sehen, «Haus der Angst» oder «Mad Heidi» – ein Film, für den wegen Blutmangel, und das ist wörtlich zu verstehen, verschiedene Portionen Kunstblut zusammenmischt werden musste. Das Plakat für «Ingeborg Bachmann. Reise in die Wüste» fehlt noch. Der Film soll Mitte Oktober in die Kinos kommen.
Noch weiter in der Zukunft liegt «Friedas Fall». Eben abgedreht, geht das historische Drama um eine St.Galler Kindsmörderin erst einmal in die Postproduktion. Miriam Blanks Arbeit für diesen Film ist abgeschlossen. Die Bedingungen waren hart wie immer: es regnete oft, Schnäuze bogen sich in alle Richtungen und manchmal waren die Frisuren platt. Im fertigen Film, der im nächsten Herbst in die Kinos kommt, wird man davon nichts sehen. Miriam Blank und ihr Team haben dafür gesorgt.*
*Dieser Text von Nina Kobelt, Keystone-SDA wurde mithilfe der Gottlieb und Hans Vogt-Stiftung realisiert.