Expertin kritisiert laxe Massnahmen gegen Menschenhandel
Der Menschenhandel wird in der Schweiz laut Expertin Julia Kuruc nicht stark genug unterbunden. So liessen Kontrollen auf Baustellen zu wünschen übrig.
«Die Kontrollen sind längst nicht so streng, wie wir sie gerne hätten», sagte Kuruc, die bis Ende Oktober das Opferschutzprogramm Menschenhandel bei der Fachstelle Frauenhandel und Frauenmigration (FIZ) in Zürich geleitet hat, im Interview mit «SonntagsBlick». «Der Preisdruck in der Baubranche ist massiv. Die billigste Offerte gewinnt, also setzen Schweizer Baufirmen auf Subunternehmen. Am Ende schaut niemand so genau hin, unter welchen Bedingungen die Bauarbeiter wirklich arbeiten.»
Bauarbeiter aus Südosteuropa würden mit falschen Versprechen über hohe Löhne in die Schweiz gelockt, sagte Kuruc. «Sie erhalten keinen Arbeitsvertrag, am Ende werden ihnen horrende Summen für Kost und Logis abgezogen.» Wehren könnten sich die Betroffenen nicht, da sie weder die hiesige Sprache noch die Schweizer Gesetze kennen würden. Allenfalls seien sie gar bei den Tätern verschuldet.
Kritik am Dublin-System
Nötig seien faire Löhne sowie starke Gewerkschaften und Arbeitsinspektorate, so Kuruc. Es gebe Kantone, in denen es offiziell zwar keinen Menschenhandel gebe – allerdings nur, weil es keine Behörden oder Fachstellen existierten, die hinschauten.
Kuruc kritisierte im Interview auch das Dublin-System. Dieses diene als «Steigbügelhalter» für Menschenhandel. Etwa dann, wenn eine betroffene Person in ein Land zurückgeschafft werde, in dem sie zuvor ausgebeutet worden sei. «Es spielt den Verbrechern in die Hände», so Kuruc. «Die Schweiz kann das Dublin-Verfahren jederzeit aussetzen. Laut Europaratskonvention ist die Schweiz verpflichtet, Menschen zu schützen – unabhängig von der Dublin-Regelung.»