Dokfilm «Las Toreras» fragt nach einem Suizid die Hinterbliebenen
Was macht ein Suizid mit den Angehörigen? Dieser schwierigen Frage geht der Schweizer Dokumentarfilm «Las Toreras» von Jackie Brutsche nach. Ein starkes Stück Kino, das trotz düsterem Thema Hoffnung schenkt.
Und dann stirbt die Mutter. Sie ist zerbrochen an den Schatten und Verwerfungen in ihrer Seele, an den Ansprüchen, die nicht miteinander vereinbar und den Wünschen, die nicht erfüllbar waren. Sie hat sich umgebracht. Nichts ist mehr so, wie es einmal war.
Zurück bleiben der Ehemann, der Sohn, Angehörige in zwei Ländern und Jackie Brutsche, die Tochter. Sie ist damals zehn Jahre alt. Jahrzehnte später begibt sich die Zürcher Künstlerin mit der Kamera auf eine Spurensuche, um auf ihre drängenden Fragen Antworten zu finden. Sie interviewt Familienmitglieder in Zürich und reist nach Spanien, um dort mit den Verwandten der Mutter sprechen.
Dabei wird eindrücklich klar, wie anders die psychisch kranke Frau dort wahrgenommen wurde. Die Frage der «Schuld» kommt auf. Wer trägt die Verantwortung, dass ihr Leben so und nicht anders verlaufen ist? Obwohl es ein Allgemeinplatz ist, verwundert es immer wieder, dass Erinnerungen nicht anders sein können als subjektiv. Es ist unmöglich, aus Erinnerungen Objektivität abzuleiten. Eine absolute Wahrheit gibt es nicht.
Direkt, ehrlich, nah an den Menschen
«Las Toreras», nach zahlreichen Kurzfilmen das Langfilmdebüt der multidisziplinären Künstlerin, ist ein starkes Stück Schweizer Kino. Direkt, ehrlich, nah an den Menschen – und mit einer Regisseurin, die sich nicht schont. Der Film wurde jüngst am Zurich Film Festival gleich zweimal ausgezeichnet, mit dem Kritikerpreis «Emerging Swiss Talent Award» und mit dem Filmpreis der Zürcher Kirchen.
Regisseurin Brutsche ergänzt die dokumentarische Ebene mit einer künstlerisch-metaphorischen. In ihrer Fantasie ist sie eine Stierkämpferin, die in Mutters Haut schlüpft.
Auch wenn die Tochter wie die Regisseurin Brutsche es sich anders wünscht, sie muss aushalten, dass vieles im Ungefähren bleibt. Dennoch hat ihr dichtes Werk einen positiven Grundton. Der Film beweist über das einzelne Familienschicksal hinaus, dass es sich lohnt hinzusehen. Gerade bei Themen, die heftig sind und schmerzen.*
*Dieser Text von Raphael Amstutz, Keystone-SDA wurde mithilfe der Gottlieb und Hans Vogt-Stiftung realisiert.