Rheinmetall verzehnfacht Produktion von Artilleriemunition
Ob Panzer, Artillerie oder grosskalibrige Munition: Rheinmetall spielt im Waffengeschäft eine wichtige Rolle. Nun legt die Firma Zahlen vor, denen zufolge das Geschäft weiter steil nach oben geht.
Deutschlands grösster Rüstungskonzern Rheinmetall steht vor einer Verzehnfachung seiner Produktion von Artilleriemunition. Vor dem Ukraine-Krieg habe man etwa 70’000 Geschosse pro Jahr verkauft, inzwischen sei die Nachfrage massiv gestiegen, sagte Vorstandschef Armin Papperger am Donnerstag in Düsseldorf und fügte mit Blick auf die beabsichtigten Produktionskapazitäten Ende 2024 hinzu: «Wir gehen in eine Grössenordnung von 700’000 Schuss.» Dabei soll es nicht bleiben, durch eine neue Produktionsstätte im niedersächsischen Unterlüss und zwei geplante Werke in der Ukraine und Litauen soll dieser Wert bis 2027 auf 1,1 Millionen steigen.
Mit Blick auf die schwache Nachfrage nach den 155-Millimeter-Geschossen vor dem Krieg sagte er: «Keiner hat irgendwelche Läger gefüllt, weil man zum damaligen Zeitpunkt geglaubt hat, dass man mit Artilleriemunition nicht sonderlich effektiv arbeiten kann, weil es ja Nuklearwaffen gibt.» Diese Annahme habe sich durch den Ukraine-Krieg überholt. «Nuklearwaffen setzt ja zum Glück niemand ein.»
Viel Munition geht in die Ukraine
Rheinmetall ist nach eigener Darstellung der grösste Hersteller von Artilleriemunition in der westlichen Welt, zu den Konkurrenten gehört das norwegische Unternehmen Nammo. Die Ukraine benötigt derzeit dringend Artilleriemunition, um sich gegen den russischen Aggressor wehren zu können. Dabei setzt Kiew auch auf Rheinmetall. Auf die Frage nach der Liefermenge für die Ukraine sagte Papperger: «Es gehen mehrere Hunderttausend Schuss von Rheinmetall in die Ukraine.» Konkreter wurde er nicht.
Im Geschäft mit der grosskalibrigen Munition wird Rheinmetall bald vermutlich einen neuen Grossauftrag des Bundes vermelden. «Die Bundesrepublik Deutschland will Rheinmetall einen Rahmenvertrag geben über 2,2 Millionen Schuss Artillerie», sagte der Manager. Für die Auslieferung sei ein Zeitraum von zehn Jahren vorgesehen.
Rheinmetall verkauft Panzer, Artillerie, Flugabwehr, Militär-Lastwagen und Munition. Der Verwaltungssitz ist in Düsseldorf und das grösste Werk im niedersächsischen Unterlüss. Der Konzern beschäftigt rund 23’000 Mitarbeitende.
Glänzende Jahreszahlen
Papperger stellte Jahreszahlen für 2023 vor, die positiv ausfielen. Der Umsatz legte um 12 Prozent auf rund 7,2 Milliarden Euro zu, beim Nettogewinn wurde ein Plus von neun Prozent auf 0,6 Milliarden Euro verbucht. Dieses Jahr peilt Rheinmetall einen Umsatz «in der Grössenordnung von 10 Milliarden Euro» an – das wäre Plus von circa 40 Prozent. Papperger ist überzeugt, dass das Wachstum auch danach weitergeht. «Ob es nun fünf oder sieben oder acht Jahre sind – ich sehe das Potenzial, dass wir bei 20 Milliarden Euro Umsatz sind.»
Wie gut die Aussichten der Waffenschmiede sind, lässt sich auch am Auftragsbestand sehen, der binnen eines Jahres von 26,6 Milliarden Euro auf 38,3 Milliarden Euro in die Höhe schnellte und damit so hoch war wie noch nie in der Unternehmensgeschichte.
Der Rheinmetall-Chef begründete die positiven Aussichten mit einer veränderten Haltung der Politik, die inzwischen der Auffassung sei, «dass wir eine Menge tun müssen, weil zu viel Unsicherheit auf der Welt ist». Als Beispiele hierfür nannte er nicht nur den Ukraine-Krieg, sondern auch den Gaza-Konflikt und die Huthi-Angriffe am Roten Meer.
Nach seiner Ansicht wird dadurch verdeutlicht, dass westliche Demokratien wehrhafter sein und dementsprechend mehr Geld in ihre Verteidigung stecken müssen. An der Börse kamen die Zahlen gut an, der Aktienkurs stieg deutlich und erreichte einen Rekordwert. Ein Papier ist inzwischen mehr als vier Mal so viel wert wie vor Ausbruch des Ukraine-Krieges.
Branchenkritik an der Politik
Als Reaktion auf den russischen Angriffskrieg brachte die Deutsche Bundesregierung 2022 ein Sondervermögen von 100 Milliarden Euro auf den Weg, um die Bundeswehr zu modernisieren und Läger zu füllen. Rheinmetall war Profiteur dieses Geldtopfes. Doch die Stimmungslage in der Branche ist verschieden: Während Papperger voll des Lobes über die Bundesregierung ist, sind andere Firmenvertreter unzufrieden.
So sagte die Chefin des Panzergetriebe-Herstellers Renk, Susanne Wiegand, unlängst dem «Handelsblatt», dass Deutschland vergleichsweise wenig bestelle. «Mit einer Rückkehr zur Vollausstattung der Bundeswehr hat das nichts zu tun», sagte Wiegand. Andere Branchenvertreter äussern sich ähnlich.
So einer Kritik aus der Branche will sich Papperger nicht anschliessen. Im vergangenen Jahr habe man Aufträge über 10 Milliarden Euro von der Bundeswehr bekommen und dieses Jahr werden es wohl mehr werden, sagte er. Im Gegensatz zu anderen Rüstungsfirmen habe Rheinmetall das richtige Produktportfolio. «Wenn ich keine Flugabwehrsysteme habe, wenn ich keine Munition habe und wenn ich zum Beispiel nur Getriebe baue, dann bin ich abhängig davon, dass gerade diese Panzer gekauft werden», sagte der Rheinmetall-Chef.