Grosse Kugel und Lieblings-Kugel auf einen Schlag
Lara Gut-Behrami holt am Weltcup-Finale in Saalbach zum Doppelschlag aus. Die Tessinerin steht nach Rang 10 als Gewinnerin der Gesamt- und der Disziplinen-Wertung fest.
Zweite grosse Kugel, erste kleine Kugel im Riesenslalom, die erste für eine Schweizerin seit 22 Jahren und Sonja Nef, die ersten Belege herausragender Leistungen über den gesamten Winter – Gut-Behrami räumte im ersten Teil des Saisonabschlusses im Pinzgau wie erwartet gross ab. Wie erwartet deshalb, weil praktisch alles für sie gesprochen hatte, ihr Vorsprung in den beiden Klassementen so gross war, dass es kaum mehr schief laufen konnte. 95 Punkte Reserve in der Riesenslalom- und ein Plus von 282 Punkten in der Gesamt-Wertung auf die Italienerin Federica Brignone hatte sie in den nächsten WM-Ort mitgenommen. Rang 14 am Sonntag hätte schon gereicht.
Gleichwohl war Gut-Behrami am Morgen nervös. Das Wissen um die Wichtigkeit der Riesenslalom-Trophäe liess Unruhe aufkommen. «Ich wollte diese Kugel unbedingt. Vor dem Rennen war mir bewusst geworden, wie viel wert sie mir ist. Ich wollte einfach irgendwie ins Ziel kommen.»
Gut-Behrami schaffte es mit zwei kontrollierten Fahrten, den «zwei schlechtesten Läufen des Winters» fernab jedes Risikos und entsprechend fernab der Besten. Federica Brignone als Allerbeste siegte überlegen mit 1,36 Sekunden Vorsprung vor der Neuseeländerin Alice Robinson. Dass es am Ende nur Rang 10 wurde, verkam zur Nebensache. In den Stolz mischten sich Gedanken an frühere Zeiten, «in denen ich oft daran gedacht habe, wie wunderschön es wäre, irgendwann in der Lage zu sein, um diese Kugel mitzufahren».
Eine Herzensangelegenheit
Der Riesenslalom hat Gut-Behrami nie losgelassen. Er ist für sie etwas Besonderes geblieben, etwas, das zu ihr als Skirennfahrerin seit jeher gehört hat. Für sie ist er die Basis für den Erfolg, der Grundstein für technisch hochstehendes Skifahren.
Wie unterschiedlich Gut-Behramis Rolle im Lauf der Jahre auch war, der «Riesen» blieb ihre Herzensangelegenheit, sein Stellenwert für sie unverändert hoch. Selbst in jener Phase, als sie nur noch Mitfahrerin war, weit weg von der absoluten Spitze, war dem so.
Die unerfreuliche, mühsame Phase zog sich über drei Winter hin. Klassierungen zwischen den Rängen 15 bis 25 waren für Gut-Behrami die Norm. Es war die Zeit nach ihrer an der Weltmeisterschaft in St. Moritz vor sieben Jahren erlittenen schweren Verletzung im linken Knie. Nach dem Kreuzbandriss und dem Meniskusschaden fand sie im Riesenslalom im Wortsinn den Rank nicht mehr.
Für die Besserwisser und Nörgler war das der perfekte Nährboden. Deren Kommentare waren selbstredend nicht immer schmeichelhaft, deren Ratschläge verständlicherweise nicht zielführend. Und was sich ebenfalls nicht verhindern liess: Gut-Behrami bezog auch mediale Prügel.
Die Gescholtene ging gleichwohl unbeirrt ihren Weg. Sie behielt den Glauben und die Überzeugung bei, auch im Riesenslalom dereinst wieder zur Spitze zu gehören. Der Traum vom Wiederanschluss und vor allem jener vom Gewinn einer Medaille an einem Grossanlass sollte weiterleben.
Das mit der Medaille hatte Gut-Behrami vor drei Jahren mit dem Gewinn von WM-Gold in Cortina d’Ampezzo geschafft. Zwölf Monate danach gewann sie in Yanqing bei den Olympischen Spielen in Peking Bronze. Und jetzt, zwei weitere Jahre später, folgte mit dem Sieg in der Disziplinen-Wertung der nächste Beweis dafür, mit dem Festhalten am Riesenslalom als Bestandteil ihres Wettkampf-Programms das Richtige getan zu haben.
70 Punkte pro Riesenslalom
Im Riesenslalom legte Lara Gut-Behrami auch die Basis zu ihrem zweiten Sieg im Gesamtweltcup, dem zweiten nach dem vor acht Jahren. In dieser Disziplin eroberte sie im zu Ende gehenden Winter fast die Hälfte ihres gegenwärtigen Totals, nämlich 771 von 1680 Punkten. Aus der Abfahrt kommen momentan 369, aus dem Super-G 540 Punkte dazu.
771 Punkte in elf Riesenslaloms ergeben im Schnitt rund 70 Punkte pro Rennen. Sie sind Zeugnis von hoher Konstanz, für Höchstleistungen am Fliessband – der Beleg auch für weitere Kapitel in einer aussergewöhnlichen Karriere.