Kiew freut sich über neues Hilfspaket – Die Nacht im Überblick
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat sich für Zusagen über neue Rüstungshilfen bedankt.
«Es wird neue Verteidigungspakete geben, insbesondere bei der fehlenden Artillerie», sagte Selenskyj am Dienstag in seiner abendlichen Videoansprache mit Blick auf die Konferenz der sogenannten Ukraine-Kontaktgruppe auf dem US-Luftwaffenstützpunkt Ramstein (Pfalz). In dem Zusammenhang nannte er speziell Deutschland und das von Berlin versprochene zusätzliche Rüstungspaket im Wert von 500 Millionen Euro. «Wir schätzen den deutschen Beitrag zum Schutz ukrainischer Leben und unserer Unabhängigkeit sehr», sagte er.
Zuvor hatte Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) bei dem Treffen der sogenannten Ukraine-Kontaktgruppe kurzfristig weitere Munitionslieferungen zugesagt. Dafür würden 10.000 Artilleriegeschosse aus Beständen der Bundeswehr geliefert, sagte er. Mit dem neuen Paket leiste Deutschland in diesem Jahr bereits Unterstützung in Höhe von sieben Milliarden Euro an Kiew. Zu den Lieferungen zählen auch 100 gepanzerte Fahrzeuge für die Infanterie sowie 100 Transportfahrzeuge.
Selenskyj legt Fokus auf die Luftabwehr – und will schneller Kampfjets
Selenskyjs Worten nach liegt der Fokus bei der Waffenbeschaffung neben der Artilleriemunition weiterhin auf der Flugabwehr, Mitteln der elektronischen Kampfführung und Drohnen. Weitere Staaten hätten sich zudem der tschechischen Initiative zur Beschaffung von Munition angeschlossen, lobte Selenskyj. Tschechien hat damit begonnen, weltweit Munition zu kaufen für den Bedarf der ukrainischen Armee. Finanziell wird die Initiative inzwischen von einer Reihe anderer westlicher Staaten unterstützt.
Selenskyj mahnte aber auch mehr Tempo bei der Lieferung der versprochenen westlichen Kampfjets an. «Bezüglich der F-16 ist eine maximale Beschleunigung nötig.» Die Flugzeuge sollen dabei helfen, die Flugabwehr zu stärken. Selenskyj verwies darauf, dass Russland zuletzt verstärkt Grenzregionen aus der Luft angegriffen habe – neben Drohnen und Raketen auch mit gelenkten Gleitbomben, die von Flugzeugen abgeworfen werden.
Polens Aussenminister: Taurus würde Ukraine «erheblich» stärken
Der polnische Aussenminister Radoslaw Sikorski bestärkte die Ukraine derweil in ihrer Forderung nach Taurus-Marschflugkörpern und warf Deutschland Zögerlichkeit bei der Lieferung neuer Waffensysteme in das Kriegsgebiet vor. Eine Bereitstellung der Taurus-Raketen mit einer Reichweite von 500 Kilometern hätte «erhebliche Auswirkungen auf die Fähigkeit der Ukraine, sich zu verteidigen», sagte Sikorski in einem Interview der Deutschen Presse-Agentur. Mit Marschflugkörpern aus anderen Ländern hätten die Ukrainer die Russen bereits dazu gebracht, ihre logistischen Stützpunkte wie Munitionslager weit hinter die Front zu verlegen. «Und die deutschen Raketen würden sie zwingen, noch weiter wegzugehen.»
Sikorski würdigte zwar, dass Deutschland in absoluten Zahlen der grösste Waffenlieferant der Ukraine in Europa sei. Er kritisierte aber die langen Entscheidungsprozesse. Der Zeitfaktor sei von entscheidender Bedeutung für die Ukraine. «Eine Entscheidung in sechs Monaten ist nicht die dieselbe Entscheidung», sagte er mit Blick auf den Taurus. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte einer Lieferung der Hochpräzisionswaffen Ende Februar nach monatelanger Debatte nochmals eine Absage erteilt und sie damit begründet, dass Deutschland in den Krieg hineingezogen werden könnte. Grossbritannien und Frankreich liefern dagegen bereits Marschflugkörper in die Ukraine.
Putin will Rolle des Militärs weiter ausbauen
Russlands Präsident Wladimir Putin kündigte nach seiner Wiederwahl die weitere Stärkung von Militär und Sicherheitsorganen an. «Natürlich ist heute – und zwar besonders heute – die Stärkung der Verteidigungsfähigkeit und Sicherheit des russischen Staats besonders wichtig», sagte Putin der staatlichen Nachrichtenagentur Tass zufolge bei einem Treffen mit den Fraktionschefs im Parlament. Einmal mehr stellte er die von ihm angegriffene Ukraine als Aggressor dar und erklärte, das russische Volk lasse sich nicht einschüchtern.
Der Feind erreiche mit seinen Aktionen genau das Gegenteil von dem, was er bezwecke, sagte er mit Blick auf den in letzten Tagen zunehmenden Beschuss russischer Grenzregionen durch die Ukraine. Die Angriffe auf die Grenzregionen haben auch Opfer unter der russischen Zivilbevölkerung gefordert. Die Schäden stehen aber in keinem Verhältnis zur Zahl der Opfer und dem Ausmass der Zerstörungen, das Russlands Militär in der Ukraine anrichtet.
Russische Grenzregion will Ortschaften wegen Beschuss absperren
Der Zugang zu mehreren Ortschaften in der russischen Grenzregion Belgorod soll offiziellen Angaben nach wegen des anhaltenden Beschusses begrenzt werden. Vor sechs Siedlungen würden aus Sicherheitsgründen ab Mittwoch Absperrposten der Polizei, Nationalgarde, des Grenzschutzes und der Verwaltung aufgestellt, kündigte der Gouverneur von Belgorod, Wjatscheslaw Gladkow am Dienstagabend an. Es werde versucht, die Bewohner zu überzeugen, sich in Sicherheit zu bringen. «Ich habe mich persönlich davon überzeugt, dass zum heutigen Tag eine grosse Zahl an Einwohnern unter Beschuss bleibt. Das ist natürlich nicht hinnehmbar», sagte er auf seinem Telegram-Kanal.
Belgorod zählt zu den am schwersten von den ukrainischen Gegenangriffen getroffenen Regionen auf russischem Gebiet. Erst am Vortag waren vier Menschen durch Beschuss getötet worden. Auch in der Nacht zum Mittwoch gab es in der Region – ähnlich wie im benachbarten Kursk – Luftalarm.
Auch im südlichen Gebiet Saratow schoss die russische Flugabwehr in der Nacht zu Mittwoch nach Behördenangaben Drohnen abg. Es gebe nach ersten Erkenntnissen in der Stadt Engels keine Schäden oder Opfer durch herabfallende Trümmer, teilte Gouverneur Roman Busargin auf Telegram mit. Engels ist mehr als 500 Kilometer von der Grenze zur Ukraine entfernt. In der Stadt leben mehr als 200.000 Menschen.
EU will wieder Zölle für bestimmte Agrarprodukte aus der Ukraine
Die EU will zur Unterstützung europäischer Landwirte wieder Zölle auf hohe Mengen bestimmter Agrarprodukte aus der Ukraine einführen. Darauf einigten sich Unterhändler der EU-Staaten und des Europaparlaments in der Nacht zu Mittwoch in Brüssel. Konkret geht es nach Angaben des Parlaments um Eier, Geflügel und Zucker sowie Mais, Hafer, Grütze und Honig. Für diese Waren soll es künftig ein gewisses Kontingent geben, das zollfrei in die EU verkauft werden darf. Wenn diese Menge erreicht ist, werden wieder Zölle fällig. Für die Einfuhr von Weizen sollen zunächst weiter keine Zölle gelten, allerdings sollen unter bestimmten Bedingungen Massnahmen ergriffen werden können. Diese Regeln sollen nach der vorläufigen Einigung bis Juni 2025 gelten.
Die EU hatte nach dem Angriff Russlands auf sein Nachbarland Zölle ausgesetzt, um die ukrainische Wirtschaft zu stärken. Die nun erzielte Einigung muss noch formell vom Parlament und die EU-Staaten abgenickt werden.
Was am Mittwoch wichtig wird
Die EU-Kommission will ihren Vorschlag zur Verwendung von Gewinnen aus der Verwahrung eingefrorener russischer Zentralbank-Gelder vorstellen. Der EU-Aussenbeauftragte Josep Borrell hat bereits angekündigt, dass ein Grossteil der Erträge für Waffenkäufe für die Ukraine genutzt werden soll. Moskau hatte in der Vergangenheit sehr verärgert über Pläne zur Nutzung der Gelder für die Ukraine reagiert und mit Gegenmassnahmen gedroht.