Aufschub für Assange: Vorerst keine Auslieferung an die USA
Wikileaks-Gründer Julian Assange hat bei seinem Antrag auf Berufung gegen die drohende Auslieferung an die USA noch einmal Aufschub erhalten.
Der 52-Jährige dürfe nicht unmittelbar an die Vereinigten Staaten überstellt werden, entschied der Londoner High Court am Dienstag. Demnach könnte dem Antrag auf Berufung des Australiers noch immer stattgegeben werden.
Wie die Richter ausführten, wurde der Berufungsantrag in sechs von neun Punkten abgelehnt. Bei drei weiteren Punkten hänge es davon ab, ob die US-Regierung und der britische Innenminister entsprechende Garantien abgeben könnten. Dafür setzten die Richter eine Frist von drei Wochen.
US-Regierung soll faires Verfahren garantieren
Dabei gehe es um die Frage, ob Assange sich bei einem Verfahren in den USA auf das Recht auf Meinungsfreiheit berufen könne und hierbei dieselben Rechte geniesse wie US-Staatsbürger, dass er nicht wegen seiner Staatsbürgerschaft vorverurteilt und die Todesstrafe nicht verhängt werde. Verstreicht die Frist, ohne dass die Garantien gegeben werden, soll es direkt eine Berufungsverhandlung geben. Werden die Garantien rechtzeitig abgegeben, soll eine Entscheidung auf Grundlage einer weiteren Anhörung am 20. Mai fallen.
Die US-Regierung will dem Australier wegen Spionagevorwürfen den Prozess machen. Ihm drohen bis zu 175 Jahre Haft. Washington wirft ihm vor, mit der Whistleblowerin Chelsea Manning geheimes Material von Militäreinsätzen im Irak und in Afghanistan und viele weitere geheime Dokumente gestohlen, veröffentlicht und damit das Leben von US-Informanten in Gefahr gebracht zu haben. Assanges Unterstützer sehen ihn hingegen als Journalisten, der wegen der Aufdeckung von US-Kriegsverbrechen ins Visier der Justiz in Washington geraten ist.
Stella Assange befürchtete unverzügliche Auslieferung
Das Urteil am Dienstag nach einer zweitägigen Anhörung war mit grosser Spannung erwartet worden. Assanges Frau Stella hatte die Befürchtung geäussert, er könne bei einer Ablehnung des Berufungsantrags unverzüglich in ein Flugzeug in die USA gesetzt werden. Das ist nun vorerst abgewendet. Doch Assange kämpft weiterhin zunächst nur darum, gegen die bereits beschlossene Auslieferung überhaupt juristisch noch einmal Widerspruch einlegen zu dürfen. Sollte dieser Antrag abgelehnt werden, bliebe ihm nur noch der Gang vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Strassburg.
Stella Assange fürchtet wegen der erwarteten harten Haftbedingungen in den USA und der labilen Psyche ihres Mannes um sein Leben. Suizid-Gefahr war auch der Grund, warum eine Richterin in erster Instanz die Auslieferung zunächst abgelehnt hatte. Doch die Entscheidung wurde später gekippt. Die britische Regierung stimmte seiner Auslieferung bereits zu.
Australiens Regierung setzt sich für Freilassung ein
Assange sitzt seit beinahe fünf Jahren im Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh in London. Vor seiner Festnahme im April 2019 hatte er sich mehrere Jahre in der ecuadorianischen Botschaft in London dem Zugriff der Strafverfolgungsbehörden entzogen. Diese hatten ihn zunächst wegen Vergewaltigungsvorwürfen in Schweden ins Visier genommen. Diese Anschuldigungen wurden später jedoch aus Mangel an Beweisen fallen gelassen.
Die australische Regierung setzt sich inzwischen für eine Freilassung ihres Staatsbürgers ein. Erst kürzlich verabschiedete das australische Parlament einen Beschluss, in dem die USA und Grossbritannien aufgerufen wurden, die Strafverfolgung Assanges zu beenden. Regierungschef Anthony Albanese betonte, die Angelegenheit ziehe sich schon zu lange hin. US-Aussenminister Antony Blinken hat den Forderungen nach einem Ende der Strafverfolgung bislang jedoch immer wieder Absagen erteilt.