«Wall Street Journal» erinnert an inhaftierten Reporter Gershkovich
Am Jahrestag der Festnahme des US-Journalisten Evan Gershkovich in Russland hat die Zeitung «Wall Street Journal» an ihren Reporter erinnert und seine umgehende Freilassung gefordert. Gershkovich werde seit zwölf Monaten eine normale Existenz gestohlen - ein Jahr voller verpasster Hochzeiten, Reporterreisen und Ausflüge mit Freunden, hiess es am Freitag auf der «WSJ»-Homepage. Dazu berichtete die Zeitung umfassend über seine Inhaftierung und Bedrohungen der Pressefreiheit weltweit. In der Print-Ausgabe blieb ein wie ein Kommentar von Gershkovich gestalteter Seitenteil weitgehend leer bis auf die Überschrift: «Diese Geschichte kann nicht geschrieben werden».
Der Russland-Korrespondent, der am 29. März 2023 auf einer Reportagereise in Jekaterinburg festgenommen wurde, habe eine vollständige Presseakkreditierung des russischen Aussenministeriums besessen und sei verhaftet worden, während er seinen Job machte, schrieb das Blatt. Russland wirft dem 32-Jährigen Spionage für die USA vor. Gershkovich und sein Arbeitgeber weisen die Vorwürfe zurück. Auch nach Ansicht der US-Regierung wird Gershkovich zu Unrecht festgehalten.
Auch US-Präsident Joe Biden äusserte sich zum Schicksal des Reporters. «Journalismus ist kein Verbrechen», hiess es am Freitag in einem Statement des Weissen Hauses. Gershkovichs Festnahme bezeichnete Biden als ungerecht und illegal. Man arbeite daran, seine Freilassung zu erzielen. Biden erinnerte in der Mitteilung auch an weitere in russischer Haft sitzende US-Bürger und kritisierte «Russlands ungeheuerliche Versuche», sie als Verhandlungsmasse nutzen.
Erst am Dienstag hatte ein Moskauer Gericht die Untersuchungshaft von Gershkovich um weitere drei Monate verlängert. Laut «WSJ» sitzt er im berüchtigten Lefortowo Gefängnis ein, wo er weitgehend isoliert von der Aussenwelt sei und 90 Prozent des Tages in einer kleinen Zelle verbringe. Zuletzt hatte Kremlchef Wladimir Putin öffentlich signalisiert, dass er bereit sei, Gershkovich gegen im Westen inhaftierte Russen auszutauschen.
Russland sei weltweit eines der gefährlichsten Länder, um journalistisch tätig zu sein, schrieb das «WSJ» am Freitag. Kremlsprecher Dmitri Peskow wies die Einschätzung zurück. In Russland gebe es jetzt zwar eine «strenge Gesetzgebung», doch seien die Regeln klar und verständlich. «Diejenigen, die dagegen verstossen, werden bestraft», sagte Peskow.