«Warum so viel Tod?» – Papst mahnt an Ostern zu Frieden
Zum Höhepunkt der Osterfeierlichkeiten hat Papst Franziskus angesichts der Kriege im Gazastreifen und der Ukraine eindringlich zu Frieden gemahnt. «Frieden wird niemals mit Waffen geschaffen, sondern indem man die Hände ausstreckt und die Herzen öffnet», sagte das Kirchenoberhaupt am Ostersonntag vor 60 000 Menschen auf dem Petersplatz in Rom. Besonders forderte er einen sofortigen Waffenstillstand im Gazastreifen, wo seit fast sechs Monaten die israelische Armee die islamistische Hamas bekämpft.
Ein Ende der Kämpfe im Gazastreifen sei unerlässlich – allein zum Wohl der Kinder. «Wie viel Leid sehen wir in ihren Augen. Ihre Blicke fragen uns: Warum? Warum so viel Tod? Warum so viel Zerstörung?», sagte der Pontifex. Krieg sei immer eine Absurdität und eine Niederlage. Papst Franziskus forderte auch einen garantierten Zugang für humanitäre Hilfe in den Gazastreifen, wo viele Menschen hungern. Auch müssten die am 7. Oktober von Hamas-Terroristen und anderen Extremisten aus Israel in den abgeriegelten Küstenstreifen entführten Geiseln freigelassen werden.
Die Welt sollte sich nach Franziskus’ Worten gegen die stärker werdenden Winde des Krieges über Europa und den Mittelmeerraum wehren. Er warnte davor, der Logik der Waffen und Aufrüstung zu erliegen.
Der Papst äusserte sich auch zum mehr als zwei Jahre andauernden russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine: «Ich rufe zur Achtung der Grundsätze des Völkerrechts auf und hoffe auf einen umfassenden Austausch aller Gefangenen zwischen Russland und der Ukraine: alle für alle!» Vor zwei Wochen hatten Interview-Äusserungen des Papstes zum Hissen der «weissen Fahne» im Ukraine-Krieg weltweit massiven Widerspruch ausgelöst. Dort sagte er: «Wenn man sieht, dass man besiegt ist, dass es nicht gut läuft, muss man den Mut haben, zu verhandeln.»
In der Osterbotschaft richtet der Papst üblicherweise den Blick auf Konflikte und Kriege und mahnt zu Frieden und Aussöhnung. In diesem Jahr erinnerte er auch an Konflikte in Syrien, im Libanon sowie zwischen Armenien und Aserbaidschan. Ebenfalls erwähnte er Haiti und Myanmar sowie den afrikanischen Kontinent. Franziskus’ Friedensappelle wurden von Applaus der Gläubigen unterbrochen.
Die Ostermesse feierte er mit Zehntausenden Pilgern und Touristen. Unter grossem Jubel wurde er danach mit dem Papamobil an den Menschenmassen vorbeigefahren – viele Gläubige riefen laut «Viva il Papa!» (Es lebe der Papst). Bei Temperaturen um die 20 Grad mit starkem Wind war der Petersplatz gut gefüllt. Wie in jedem Jahr war der Platz mit zahlreichen Blumen und Pflanzen geschmückt.
Höhepunkt war dann der «Urbi et Orbi»-Segen, also der Stadt und dem Erdkreis. Den Segen spendete Franziskus im Stehen. Zuvor las er seine Osterbotschaft im Sitzen vor. Der 87-Jährige ist seit geraumer Zeit gesundheitlich angeschlagen. Noch immer war seine Stimme etwas heiser und er schien kurzatmig. Im Gegensatz zu vorherigen öffentlichen Auftritten musste aber kein Vatikan-Mitarbeiter seine Ansprache vorlesen.
Am Karfreitag war die Sorge um Franziskus erneut gross gewesen: Kurzfristig und überraschend verzichtete er auf die Teilnahme an der Kreuzwegandacht am Kolosseum in Rom. Nur wenige Minuten vor Beginn der «Via Crucis» am Kolosseum teilte der Heilige Stuhl mit, Franziskus werde die Prozession von seinem Wohnsitz im Vatikan aus verfolgen, um seine Gesundheit zu schonen. Franziskus leidet unter anderem seit Monaten unter den Folgen eines hartnäckigen Atemwegsinfekts. Langes Sprechen fällt ihm erkennbar schwer.
Zwar hatte er bereits im vergangenen Jahr die «Via Crucis» an dem antiken Amphitheater ausfallen lassen. Dennoch sorgte die Absage nur wenige Minuten vor Beginn der Prozession für Aufregung, denn am Gründonnerstag hatte er noch verhältnismässig erholt und frisch gewirkt. Er wusch und küsste zwölf Insassinnen eines römischen Gefängnisses die Füsse – eine Geste, die Demut symbolisieren soll. In der Osternacht am Karsamstag absolvierte er dann wieder einen mehrstündigen Gottesdienst und las eine zehnminütige Predigt vor.
In Rom gelten zu Ostern üblicherweise hohe Sicherheitsvorkehrungen. Nach dem islamistischen Terrorangriff bei Moskau waren sie dieses Jahr besonders streng.
Auch in Jerusalem haben Christen Ostern gefeiert – im Schatten des Terrorangriffs der Hamas auf Israel vor rund einem halben Jahr und dem folgenden Gaza-Krieg. Patriarch Pierbattista Pizzaballa, der höchste katholische Würdenträger in der Region, feierte am Morgen in der Grabeskirche die Ostermesse. Mit Blick auf den Gaza-Krieg sagte er: «Diese gewaltige Krise hat unser aller Leben geprägt, ohne Unterschied.»