Grossrazzia gegen Schleuser in Deutschland – Ausländerämter bestochen?
Bei einer grossangelegten Razzia gegen eine international agierende Schleuserbande in Deutschland hat die Staatsanwaltschaft Düsseldorf zehn Beschuldigte verhaften lassen.
Hauptverdächtige sind zwei 42 und 46 Jahre alte Rechtsanwälte aus dem Raum Köln. Neben dem Vorwurf der Schleusung allen voran wohlhabender Menschen aus China und dem arabischen Raum ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen sie auch wegen des Verdachts der Bestechung und Geldwäsche.
«Mit der Aussicht auf eine dauerhafte Aufenthaltserlaubnis sollen die Geschleusten Beträge zwischen 30 000 und 350 000 Euro an die Kanzleien gezahlt haben», berichtete die Polizei. Im Vergleich zu den meisten Menschen, die von Schleusern transportiert werden, habe es sich hier also um eine wohlhabende Klientel gehandelt, sagte der Düsseldorfer Staatsanwalt Julius Sterzel der Deutschen Presse-Agentur.
Auch Verdacht auf Bestechung und Geldwäsche
Die Hauptbeschuldigten stehen im Verdacht, mit den Geldern der Geschleusten unter anderem Scheinfirmen gegründet, angebliche Wohnsitze finanziert und vermeintliche Lohnzahlungen fingiert zu haben. «Darüber hinaus sollen nicht unerhebliche Beträge der Bereicherung der Beschuldigten gedient haben», hiess es in der Polizeimitteilung weiter.
Die Aufenthaltserlaubnisse wurden den Ermittlern zufolge bei den nordrhein-westfälischen Ausländerämtern der Städte Kerpen und Solingen sowie der Kreise Rhein-Erft und Düren erlangt. Zu den zehn Verhafteten gehört auch ein Mitarbeiter des Kreises Düren, der bei den Schleusungen massgeblich beteiligt gewesen sein und dafür Bestechungsgelder erhalten haben soll.
Fast 300 Bankkonten gesperrt
Im Visier der Ermittler stehen insgesamt 38 mutmassliche Bandenmitglieder und 147 Personen, die geschleust worden sein sollen, wie die Bundespolizeidirektion Sankt Augustin am Mittwoch mitteilte. Wenn man später nachgeholte Familienangehörige hinzuzähle, gehe es um etwa 350 zumeist chinesische Staatsangehörige, sagte Sterzel weiter.
Bei dem Grosseinsatz durchsuchten mehr als 1000 Beamte der Bundespolizei und der Staatsanwaltschaft insgesamt 101 Wohn- und Geschäftsräume in den Bundesländern Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein, Hamburg, Berlin, Hessen sowie Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Bayern. Die Ermittlungen der Staatsanwalt Düsseldorf liefen schon seit 2020, sagte Sterzel.
Deutschlands Innenministerin Nancy Faeser sagte zu den Razzien: «Jetzt gilt es, alle Hintergründe auszuleuchten und diesen Strukturen der organisierten Kriminalität das Handwerk zu legen». Im Kampf gegen Schleuserbanden brauche es «genau diesen hohen Ermittlungsdruck und dieses konsequente Durchgreifen».
«Bislang konnten umfangreiche Beweismittel und nicht unerhebliche Vermögenswerte gesichert werden, unter anderem circa 210 000 Euro Bargeld», heisst es in der Mitteilung. «Auch wurden insgesamt 269 Bankkonten gesperrt und 31 Grundstücke mit einer Sicherungshypothek belegt.»
Nach Angaben der Bundespolizei sind während des Grosseinsatzes Durchsuchungsbeschlüsse in etlichen Kommunen vollstreckt worden. Durchsuchungsobjekte waren laut Polizei neben der Kanzlei und den Wohnräumen der Hauptbeschuldigten auch die angeblichen Geschäftssitze der Scheinfirmen und vermeintliche Wohnsitze – darunter zwei Burgen in der Eifel. Die Räumlichkeiten der betroffenen Ausländerämter sind demnach ebenfalls Gegenstand der Untersuchungsmassnahmen.
Auch Banknoten-Spürhunde im Einsatz
Neben mehreren Einsatzhundertschaften der Bundespolizei waren den Angaben zufolge auch Banknoten-Spürhunde an dem Grosseinsatz beteiligt. Weitere Details wollte am Nachmittag (14 Uhr) die Staatsanwaltschaft Düsseldorf bekannt geben – unter anderem zur Zahl der vollstreckten Haftbefehle.
Unter Einschleusen versteht man die Hilfe zur unerlaubten Einreise nach Deutschland, zumeist gegen Geld. Dabei geht es um Fahrdienste, falsche Dokumente, Reiseorganisation oder die Unterbringung.
Die unerlaubte Einreise und der unerlaubte Aufenthalt sind nach Aufenthaltsgesetz strafbar. Wer sich hierzulande ohne Aufenthaltstitel aufhält, hat das Bundesgebiet zu verlassen. Für gewerbsmässiges Einschleusen drohen Freiheitsstrafen zwischen einem und 15 Jahren.
Im Jahr 2022 haben Bundeskriminalamt und Bundespolizei deutschlandweit 4936 Fälle von Schleusungen registriert – ein Plus von knapp 30 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Hintergrund ist der starke Anstieg irregulärer Migration nach Europa. Im aktuellen Lagebild Schleusungskriminalität von 2022 heisst es, die Täter agierten «sehr professionell und flexibel», auch gebe es eine zunehmende Risikobereitschaft.