Zwischen den Fronten: Jordanien in prekärer Lage nach Irans Angriff
Plötzlich waren sie vom Himmel gefallen, ein dunkles Stahlrohr und ein ausgebrannter Metallhaufen, zwischen geparkte Autos in einer Wohngegend von Amman.
Jordaniens Hauptstadt lag bei Irans nächtlichem Angriff auf Israel direkt in der Schusslinie. Muss das arabische Land, eigentlich bekannt als Insel der Stabilität in einer von Konflikten geplagten Region, sich jetzt um die eigene Sicherheit sorgen?
«Wir werden es nicht akzeptieren, dass man uns zu einem weiteren Kriegsfeld macht», stellte Jordaniens Aussenminister Aiman al-Safadi bei einem Besuch in Berlin am Dienstag klar. Das sei eine Botschaft an den Iran wie auch an Israel.
Jordaniens Luftwaffe hatte dabei geholfen, einige der nach israelischen Angaben mehr als 500 Raketen, Marschflugkörper und Drohnen aus dem Iran und von dessen Verbündeten aus der Region abzufangen. Israels Kampfflugzeuge sollen dabei auch den jordanischen Luftraum genutzt haben – es wäre das erste Mal, dass die beiden Militärs Seite an Seite kämpfen.
Weil man das auch als Verteidigung Israels auslegen konnte, folgte umgehend eine Warnung aus Teheran: Irans Streitkräfte würden «die Bewegungen Jordaniens sorgfältig beobachten», schrieb die iranische Nachrichtenagentur Fars unter Berufung auf eine «gut informierte Quelle». «Wenn sie sich an einer möglichen Aktion beteiligen, werden sie das nächste Ziel sein.» Jordanien bestellte daraufhin den iranischen Geschäftsträger in Amman ein.
Jordanien bewege sich «zwischen den Fronten», sagt Tareq Sydiq, Konfliktforscher an der Universität Marburg, der Nachrichtenagentur DPA. Jordaniens Führung habe «enorme Sorge, dass eine ähnliche Situation eintritt wie in Syrien, dass am Ende iranische und israelische Kriegsführung auf ihrem Territorium ausgetragen wird». Von Zuständen wie im Bürgerkriegsland Syrien und mit dessen Milizen ist die Monarchie zwar weit entfernt. Trotzdem könnte der Himmel über Jordanien zur neuen Kampfzone werden – auch bei einem direkten Angriff Israels auf den Iran.
Prekär ist nicht nur Jordaniens geografische Lage. In der Bevölkerung, wo mehr als jeder Zweite palästinensische Wurzeln hat, darunter Königin Rania, wächst der Unmut gegen König Abdullah II. «Jordaniens König lässt Raketen auf seine Bürger fallen, um Israel zu schützen», kommentierte ein Nutzer, der ein Video der Raketenteile in Amman verbreitete. Im Internet machte ein Bild die Runde vom König in israelischer Militäruniform.
30 Jahre ist Jordaniens Friedensvertrag mit Israel her. Auch wenn er heute offiziell als Erfolg gefeiert wird, lehnen die Jordanier die Beziehungen zum Nachbarland ab. 2022 sagten in einer Umfrage gerade einmal fünf Prozent der Befragten in Jordanien, dass sie eine Normalisierung arabischer Länder mit Israel unterstützten. Seit dem Gaza-Krieg kommt es im Land zu den mitunter grössten Protesten in der arabischen Welt gegen Israel und die USA vor deren jeweiligen Botschaften. Laut Menschenrechtlern wurden seit Oktober mindestens 1500 Menschen bei solchen Demonstrationen festgenommen.
Jordanien, militärisch eng mit den USA verbündet und einer der grössten Empfänger von deren Finanzhilfe, muss die Balance finden. Amman muss sich gegenüber Washington als verlässlicher Partner zeigen, den Unmut zu Hause aber zugleich in Grenzen halten, vor allem in Zeiten einer brüchigen Wirtschaft und hoher Arbeitslosigkeit. Jordanien erhält jährlich 1,45 Milliarden US-Dollar Auslandshilfe aus Washington. Amman hat Israels Krieg im Gazastreifen aber auch immer wieder scharf kritisiert.
Auch Saudi-Arabien bemüht sich, einen Mittelweg zu finden – zwischen dem Iran einerseits, mit dem es vor einem Jahr wieder diplomatische Beziehungen aufnahm, und Israel andererseits, mit dem eine mögliche Normalisierung vor Beginn des Gaza-Kriegs im Raum stand. Das Königreich spielte so auch Berichte herunter, bei der Abwehr von Irans Angriff geholfen zu haben.
Auch in Amman dürfte man dieser Tage bangen, wie eine mögliche Reaktion Israels aussehen könnte. Bei einem Vergeltungsangriff auf den Iran könnte Israel die öffentliche Meinung bei mühsam gewonnenen arabischen Partnern wie Jordanien noch mehr aufs Spiel setzen, sagt der frühere Vertreter der Palästinensischen Autonomiebehörde, Ghaith al-Omari, dem US-Sender NBC. «Wenn die Israelis versuchen, über jordanischen Luftraum zurückzuschlagen, könnte die Lage richtig ausser Kontrolle geraten.»