Schicksalswahl in Venezuela: Ist Präsident Maduro am Ende?
Mit seinem markanten Schnurrbart und einem siegesbewussten Lächeln schaut Nicolás Maduro den Wähler vom Wahlzettel an. Venezuelas autoritärer Präsident steht dort ganz oben, weil er von mehreren Parteien als Kandidat nominiert wurde - nicht nur einmal, sondern gleich 13-mal. Sein grösster Herausforderer ist dagegen nur dreimal zu sehen. Und doch werden dem bis vor kurzem noch weitgehend unbekannten Ex-Diplomaten Edmundo González Urrutia vom Oppositionsbündnis Plataforma Unitaria Democrática gute Chancen eingeräumt, Maduro bei der Wahl an diesem Sonntag nach elf Jahren an der Macht aus dem Präsidentenpalast zu vertreiben.
Zwar sind die Umfragen, die zum Teil einen deutlichen Sieg des Herausforderers prognostizieren, zunächst einmal mit Vorsicht zu geniessen. Allerdings gehen zahlreiche Beobachter davon aus, dass die Chancen für einen Politikwechsel in Caracas tatsächlich so hoch sind wie seit langem nicht mehr – vielleicht höher als 2019, als sich der Oppositionspolitiker Juan Guaidó zum Interimspräsidenten erklärt hatte und von vielen Ländern anerkannt worden war. Damals stellte sich das Militär aber hinter Maduro. Der Präsident sass die Krise einfach aus und Guaidó verlor an Unterstützung.
Nun ist die Opposition geeint und gar einst treue Regierungsanhänger sind angesichts der katastrophalen Wirtschaftslage inzwischen von Maduro enttäuscht.
Aufgrund von Korruption, Missmanagement und internationalen Sanktionen steckt das Land mit den grössten weltweit bekannten Erdölreserven in einer schweren Wirtschaftskrise. Über 80 Prozent der Bevölkerung leben unter der Armutsgrenze. Immer wieder kommt es zu Stromausfällen. Gas, Medikamente und Benzin sind knapp. Mehr als sieben Millionen Menschen – ein Viertel der Bevölkerung – haben Venezuela in den letzten zehn Jahren wegen Armut und Gewalt verlassen.
Zudem geht die linke Regierung hart gegen Andersdenkende vor. Zahlreiche Oppositionelle wurden bereits inhaftiert oder von öffentlichen Ämtern ausgeschlossen. Der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag ermittelt wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Venezuela.
Maduro warnt vor Bürgerkrieg
Maduro warnte zuletzt vor einem Blutbad und einem Bürgerkrieg, sollte er nicht wiedergewählt werden. In dem südamerikanischen Land operieren mehrere kriminelle Gruppen, die Verbindungen zur Regierung unterhalten. «Die Gefahr, dass so etwas in Gewalt umschlägt, ist also relativ gross», sagt der Lateinamerika-Experte Günther Maihold von der Freien Universität Berlin. Zumindest aus dem Umfeld Maduros kamen zuletzt allerdings beschwichtigende Töne. «Wenn Edmundo gewinnt, geben wir ab und werden Opposition sein», sagte sein Sohn Nicolás Maduro Guerra im Interview der Zeitung «El País».
Internationales Interesse an einem Wandel
Die Wahl in Venezuela wird in ganz Lateinamerika und auch in den USA mit Interesse verfolgt. Die Massenauswanderung aus dem südamerikanischen Land bringt viele Nachbarländer an ihre Belastungsgrenzen. Sollten die Sanktionen gegen Venezuela gelockert und die heruntergewirtschaftete Ölindustrie modernisiert werden, könnten die Wirtschaftsbeziehungen wieder aufblühen. Davon dürfte auch die regionale Sicherheitslage profitieren. Derzeit gewährt die Maduro-Regierung kolumbianischen Rebellen Unterschlupf und schürte zuletzt auch mit ihren Ansprüchen auf die zum Nachbarland Guayana gehörende Grenzregion Essequibo Angst vor einem Krieg.
Mögliche Szenarien bei einem Oppositionssieg
Beobachter rechnen am Sonntag nicht mit einer freien und fairen Wahl in Venezuela. Sollte Oppositionskandidat González dennoch gewinnen, wären laut Maihold mehrere Szenarien vorstellbar, darunter die Annullierung der Wahl durch die Regierung. «Maduro könnte etwa einen Wahlbetrug organisieren, den er dann selber aufdeckt», sagt der Politikwissenschaftler. Denkbar wäre auch, dass das Militär eingreift und einen Machtwechsel verhindert. Ein drittes Szenario wären Verhandlungen zwischen der Regierung und der Opposition, beispielsweise über Straffreiheit für derzeitige Regierungsmitarbeiter oder eine schrittweise Machtübergabe.
Eine radikale Kehrtwende in Venezuela ist selbst bei einem Sieg der Opposition unwahrscheinlich. Das Parlament wird auch nach dem Amtsantritt des gewählten Präsidenten im Januar 2025 von der sozialistischen Regierungspartei PSUV dominiert. Zudem hat Maduro alle zentralen Schaltstellen in Behörden, Staatsunternehmen und Medien mit treuen Gefolgsleuten besetzt.
Dennoch glaubt der Oppositionspolitiker Guaidó an einen Wandel. Entscheidend sei allerdings, dass die Streitkräfte «die Meinungsäusserung des Volkes respektieren» und nicht eingreifen, sagte er dem Fernsehsender CNN.