USA dringen auf Geisel-Deal – mahnende Worte an Netanjahu
Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sieht sich bei seinen politischen Gesprächen in den USA mit Forderungen nach einem zügigen Abkommen über eine Waffenruhe im Gaza-Krieg konfrontiert.
«Es ist an der Zeit, dieses Abkommen zustande zu bringen», sagte die demokratische Präsidentschaftsbewerberin und US-Vizepräsidentin Kamala Harris nach ihrem Treffen mit Netanjahu. Auch US-Präsident Joe Biden hatte Netanjahu am Donnerstag zum Gespräch getroffen. Anschliessend kamen beide mit Angehörigen amerikanisch-israelischer Geiseln zusammen. Netanjahu soll noch heute vom Präsidentschaftskandidaten der Republikaner, Donald Trump, in Florida empfangen werden.
Die Angehörigen der Geiseln schöpften nach ihrer rund einstündigen Begegnung mit Biden und Netanjahu laut einem Bericht neue Hoffnung, dass ein Deal mit der islamistischen Hamas gelingen könnte. Sie seien nun «optimistischer als zuvor», zitierte das US-Nachrichtenportal «Axios» drei Quellen, die bei dem Treffen dabei waren. Das Treffen habe im Rahmen von Bidens Bemühungen stattgefunden, Druck auf Netanjahu auszuüben, damit dieser ein Abkommen abschliesst. Netanjahu habe den Angehörigen im Beisein Bidens zugesagt, Israel werde innerhalb weniger Tage einen aktualisierten Vorschlag für ein Abkommen vorlegen.
In der kommenden Woche sollen die indirekten Verhandlungen, bei denen die USA, Katar und Ägypten vermitteln, in der katarischen Hauptstadt Doha fortgesetzt werden. Netanjahu hatte zuvor noch bei einer Rede vor beiden Kammern des US-Kongresses entgegen den Hoffnungen von Angehörigen der 115 noch in Gaza verbliebenen Geiseln keine Vereinbarung angekündigt und stattdessen jegliche Kritik am Vorgehen in Gaza zurückgewiesen.
Harris mit klarem Bekenntnis zu Israel und Mahnung
Für Harris, die der Rede am Mittwoch wegen eines Wahlkampfauftritts nicht beigewohnt hatte, war das Treffen mit Netanjahu die erste wichtige Bewährungsprobe in ihrer Rolle als mögliche Ersatzkandidatin der Demokraten im Präsidentschaftswahlkampf. Sie will bei der US-Wahl am 5. November den Republikaner Trump schlagen, nachdem sich Biden am Sonntag aus dem Rennen zurückgezogen hatte.
Harris bekannte sich nach ihrem Treffen mit Netanjahu mit deutlichen Worten zu Israel. Gleichzeitig forderte sie Israels Führung auf, mehr für den Schutz der Bevölkerung in Gaza zu tun. «Israel hat das Recht, sich zu verteidigen, und es ist wichtig, wie es das tut», sagte Harris.
Sie habe in dem Gespräch mit Netanjahu ihre «ernste Besorgnis über das Ausmass des menschlichen Leids im Gazastreifen zum Ausdruck gebracht». Dazu gehöre der Tod von «zu vielen unschuldigen Zivilisten» und die katastrophale humanitäre Lage. «Wir können angesichts dieser Tragödien nicht wegschauen. Wir können es uns nicht erlauben, angesichts des Leids gefühllos zu werden, und ich werde nicht schweigen.»
Dank der Führung von US-Präsident Joe Biden liege ein Abkommen über einen Waffenstillstand und eine Freilassung der Geiseln auf dem Tisch, sagte Harris weiter. Es gebe «hoffnungsvolle Fortschritte bei den Gesprächen», sagte sie.
Auch der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrates, John Kirby, sagte, die USA seien überzeugt, dass der Geisel-Deal zustande kommen müsse. Man sei der festen Überzeugung, dass die noch vorhandenen Lücken geschlossen werden könnten, «aber es wird, wie immer, ein gewisses Mass an Führung, Kompromissbereitschaft und Anstrengung erfordern, um dieses Ziel zu erreichen», sagte Kirby. Biden und Netanjahu, deren Beziehungen wegen Israels Handhabung des Gaza-Krieges angespannt ist, beantworteten keine Fragen der Presse.
Das Verhältnis zwischen Biden und Netanjahu gilt als angespannt – wegen des Vorgehens der israelischen Führung unter Netanjahu im Gaza-Krieg hat sich die Stimmung weiter verschlechtert. Die USA als wichtigster Verbündeter drängen Israel, die humanitäre Hilfe in Gaza zu verstärken und den Schutz der Zivilbevölkerung zu verbessern.
Trump: Mit mir als Präsident wäre Massaker vom 7. Oktober nicht passiert
Vor dem heutigen Treffen Trumps mit Netanjahu meldete sich der Republikaner in einer Sendung des US-Senders Fox News zu Wort. Mit Blick auf den Krieg im Gazastreifen und dem anstehenden Besuch Netanjahus in Florida sagte er: «Ich möchte, dass er es schnell zu Ende bringt.» Er empfängt Netanjahu in seinem Anwesen Mar-a-Lago in Florida.
Mit ihm als US-Präsident wäre das Massaker der Hamas in Israel am 7. Oktober nicht passiert, behauptete Trump. «Wissen Sie, der 7. Oktober wäre nie passiert. Wenn ich Präsident gewesen wäre, hätte es dazu keine Möglichkeit gegeben. Der Iran wäre pleite gewesen, es hätte kein Geld für die Hamas oder Hisbollah gegeben. Es wäre einfach nicht passiert – keine Chance», sagte der 78-Jährige. Das Massaker war Auslöser des Krieges im Gazastreifen.
Lobende Worte für Trump in Netanjahu-Rede zuvor
Netanjahu hatte Trump in seiner Rede vor dem US-Kongress am Mittwoch lobend erwähnt. Er war ausführlich auf die Verdienste Trumps während dessen Amtszeit als Präsident von 2017 bis 2021 eingegangen. Dabei hob er explizit das sogenannte Abraham-Abkommen hervor. Die Emirate und Bahrain hatten 2020 unter Trumps Vermittlung als erste Golfstaaten ein Abkommen zur Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit Israel unterzeichnet.
«Ich möchte Präsident Trump auch für all die Dinge danken, die er für Israel getan hat», sagte Netanjahu in seiner Rede weiter, «von der Anerkennung der Souveränität Israels über die Golanhöhen, dem Entgegentreten der iranischen Aggression bis zur Anerkennung Jerusalems als unsere Hauptstadt und der Verlegung der amerikanischen Botschaft».
Details zu dem Treffen sind bisher nicht bekannt. Der frühere US-Präsident kündigte die Einladung auf seiner Online-Plattform Truth Social an. Netanjahu hatte das Treffen Berichten zufolge erbeten. Biden könnte das Treffen als Affront werten. Trump, der sich in der heissen Phase des Wahlkampfs befindet, sorgt mit dem Empfang hochrangiger Staatsgäste immer wieder für Schlagzeilen. Erst vor Kurzem hatte der Republikaner Ungarns Regierungschef Viktor Orban in seinem Anwesen empfangen.