Selenskyj setzt auf neue ukrainische Rakete
Nach zwei Tagen verheerender russischer Luftangriffe auf die Ukraine macht Präsident Wolodymyr Selenskyj seiner Bevölkerung Hoffnung auf eigene Abwehrwaffen.
Die Ukraine habe erfolgreich eine selbstentwickelte ballistische Rakete getestet, sagte Selenskyj bei einer Veranstaltung in Kiew. Er gratulierte der ukrainischen Rüstungsindustrie zu dem Erfolg, nannte aber keine Einzelheiten.
Vor einigen Tagen hatte Selenskyj einen anderen ukrainischen Eigenbau vorgestellt, die Kampfdrohne Paljanytsja mit Jet-Antrieb. Bei der Feuerkraft weitreichender Waffen ist die Ukraine Russland weit unterlegen.
Das jüngste russische Bombardement kostete nach ukrainischen Behördenangaben mindestens fünf Menschen das Leben. Zwei Menschen starben durch einen Raketentreffer auf ein Hotel in Krywyj Rih. Nach Drohnenangriffen auf Saporischschja wurde erst von zwei, dann von drei Toten berichtet.
«Wir werden unzweifelhaft Russland auf diese und alle anderen Attacken antworten», schrieb Selenskyj im sozialen Netzwerk X. «Verbrechen gegen die Menschlichkeit dürfen nicht ungestraft bleiben.»
Tausende suchen Schutz in der U-Bahn
Wegen des nächtlichen Luftalarms flüchteten nach Medienberichten 52.000 Menschen in Kiew in U-Bahnhöfe, die als Bunker dienen. Herabstürzende Trümmer lösten am östlichen Stadtrand der Millionenstadt Grasbrände aus. Alle Objekte im Anflug auf Kiew seien abgeschossen worden, teilte die Militärverwaltung des Kiewer Umlands mit. Treffer und Schäden gab es nach regionalen Behördenangaben in den Gebieten Sumy, Charkiw, Donezk, Cherson und Chmelnyzkyj.
Nach Angaben der ukrainischen Luftwaffe konnten 5 russische Marschflugkörper und 60 von 81 eingesetzten Drohnen abgefangen werden. Drei Hyperschallraketen Kinschal (Dolch) und zwei Raketen des Typs Iskander wurden nicht getroffen. Die Militärzahlen sind nicht im Detail überprüfbar, vermitteln aber einen Überblick über das Ausmass des Angriffs.
Die Attacke richtete sich nach Einschätzung von Beobachtern erneut vor allem gegen das Energiesystem der Ukraine. Am Montag hatte Russland einen Angriff mit 127 Raketen und Marschflugkörper sowie mehr als 100 Kampfdrohnen gegen die Ukraine geflogen. Das war die höchste vom ukrainischen Militär gemeldete Zahl in zweieinhalb Jahren Krieg.
Ukrainische Kampfjets F-16 im Einsatz
Bei der Abwehr der schweren russischen Angriffe von Montag und Dienstagmorgen seien auch die vom Westen gelieferten Kampfjets F-16 eingesetzt worden, sagte Selenskyj. Zugleich drängte er weiter darauf, dass westliche Partner Beschränkungen für den Einsatz der gelieferten Waffen gegen Militärziele in Russland aufheben. «Das ist so: Die Olympiade ist vorbei, aber das Pingpong geht weiter», beschrieb er die Gespräche.
Die ukrainische Armee hat nach Angaben ihres Oberbefehlshabers Olexander Syrskyj seit Beginn ihres Vorstosses in das russische Gebiet Kursk knapp 600 Kriegsgefangene gemacht. Die Ukraine habe damit ihren Fonds für den Austausch von Gefangenen erheblich aufgefüllt, sagte der General bei der Konferenz in Kiew.
Nach drei Wochen beherrschten seine Truppen auf russischem Gebiet 100 Ortschaften und knapp 1.300 Quadratkilometer Fläche. Militärbeobachter gehen davon aus, dass das Gebiet nicht ganz so gross ist.
Ukraine zählt 30.000 russische Soldaten bei Kursk
Zur Abwehr des ukrainischen Vorstosses habe Russland mittlerweile fast 30.000 Soldaten in die Region Kursk geschickt, und es würden noch mehr, sagte der Oberbefehlshaber. Insofern gehe der Plan auf, dass Moskau Truppen nach dort verlegen müsse. Allerdings haben sich allen Berichten zufolge die russischen Angriffe gerade im Gebiet Donezk nicht verlangsamt, wo die ukrainische Armee schwer unter Druck ist.
Unterdessen meldeten russische Behörden im Gebiet Belgorod, dass die Ukraine weitere Vorstösse über die Grenze versuche. Die Situation vor Ort bleibe schwierig, sei aber unter Kontrolle, schrieb der Gouverneur der Region, Wjatscheslaw Gladkow, auf Telegram.
Nach unbestätigten Medienberichten gab es Gefechte bei dem Übergang Nechotejewka sowie bei Schebekino. Die ukrainische Seite äusserte sich nicht zu angeblichen Angriffen.