Israels Armee beginnt Grosseinsatz im Westjordanland
Israel hat einen grossangelegten Militäreinsatz im nördlichen Westjordanland gestartet, bei dem nach offiziellen palästinensischen Angaben bisher mindestens neun Menschen getötet worden sind. Die Armee drang nach eigenen Angaben in der Nacht in mehrere Orte ein, darunter Tulkarem und Dschenin.
Nach Medienberichten setzte das Militär neben zahlreichen Infanteristen auch Drohnen und Scharfschützen ein, zerstörte Infrastruktur mit Bulldozern und sperrte sämtliche Zufahrtswege nach Dschenin. Es sei zu Feuergefechten mit bewaffneten Palästinensern gekommen. Mehrere gesuchte Palästinenser seien festgenommen worden.
Nach Angaben des palästinensischen Gesundheitsministeriums im Westjordanland wurden in Tubas – ebenfalls im nördlichen Westjordanland – sieben Tote in ein Krankenhaus gebracht. Ausserdem bestätigte das Ministerium zwei Tote in Dschenin.
Israelischen und palästinensischen Medien zufolge umstellten die Einsatzkräfte auch Krankenhäuser in beiden Städten und blockierten Krankenwagen. Die Armee kontrolliere den Zutritt zu den Klinikgebäuden, um zu verhindern, dass sich Militante dort verschanzen, sagte ein israelischer Armeesprecher.
Armee: Militäreinsatz wegen Anstiegs von Anschlägen
Hintergrund des Einsatzes sei eine zuletzt deutlich gestiegene Anzahl von Anschlägen auf Israelis, die im nördlichen Westjordanland ihren Ursprung gehabt hätten, sagte der Sprecher. Er verwies dabei auch auf die jüngste Explosion eines Sprengsatzes in Tel Aviv, bei dem der Attentäter getötet und ein Passant verletzt worden waren.
Nach israelischer Darstellung ist Ziel des grossangelegten Einsatzes vor allem in Dschenin und Tulkarem ein vom Iran unterstütztes Terrornetzwerk. Beide Städte gelten als Hochburgen militanter Palästinenser. Seit Beginn des Gaza-Kriegs vor fast elf Monaten seien allein von dort aus rund 150 Anschläge mit Schusswaffen und Sprengsätzen auf Israelis verübt worden, sagte der Militärsprecher.
Der israelische Aussenminister Israel Katz schrieb bei X: «Wir müssen mit der Bedrohung genauso umgehen wie mit der Terror-Infrastruktur in Gaza, einschliesslich der vorübergehenden Evakuierung palästinensischer Zivilisten.» Es sei «ein Krieg in jeder Hinsicht, und wir müssen dabei siegen». Der Armeesprecher sagte dazu, ihm sei zu möglichen Evakuierungsplänen der Zivilbevölkerung im nördlichen Westjordanland nichts bekannt.
Bericht: Militäreinsatz im Westjordanland könnte Tage dauern
Die Militäroperation könnte nach Informationen der «Times of Israel» noch länger dauern. Er sei Quellen in der Armee zufolge auf mehrere Tage angelegt.
«Die israelische Armee geht seit heute Nacht mit aller Macht in den Flüchtlingslagern von Dschenin und Tulkarem gegen ein islamistisch-iranisches Terrornetzwerk vor», schrieb Aussenminister Katz. Der Iran arbeite daran, ähnlich wie im Gazastreifen und dem Libanon «durch die Finanzierung und Aufrüstung von Terroristen sowie Schmuggel fortschrittlicher Waffen über Jordanien eine östliche Terrorfront gegen Israel in Judäa und Samaria (Westjordanland) aufzubauen».
Die ohnehin angespannte Lage im besetzten Westjordanland hat sich seit dem Hamas-Massaker mit 1.200 Toten am 7. Oktober 2023 und dem dadurch ausgelösten Gaza-Krieg deutlich verschärft. Seitdem wurden nach Angaben des Gesundheitsministeriums in Ramallah bei israelischen Militäreinsätzen, bewaffneten Auseinandersetzungen und Anschlägen von Extremisten mehr als 630 Palästinenser getötet.
Vor allem in Dschenin und Tulkarem gibt es immer wieder Razzien der israelischen Armee. Erst am Montag kamen nach Angaben des Gesundheitsministeriums bei einem israelischen Luftangriff in dem Flüchtlingsviertel Nur Schams in Tulkarem fünf Menschen ums Leben. Das Bombardement hatte nach Angaben der israelischen Armee militante Palästinenser zum Ziel.
Bemühungen um Gaza-Waffenruhe gehen weiter
Unterdessen gehen die Kämpfe im Gazastreifen ebenso weiter wie die Bemühungen um eine Waffenruhe und Freilassung der verbliebenen Geiseln in der Gewalt der Hamas.
Eine israelische Delegation sollte zu weiteren Gesprächen über ein Abkommen mit der Hamas nach Doha reisen. Die indirekten Verhandlungen, bei denen Katar sowie Ägypten und die USA zwischen den Konfliktparteien vermitteln, treten seit Monaten auf der Stelle.