Zwölf Tote bei Bootsunglück im Ärmelkanal
Beim Kentern eines Flüchtlingsboots im Ärmelkanal sind zwölf Menschen vor der Küste Nordfrankreichs ums Leben gekommen. Zwei Personen werden vermisst und weitere wurden verletzt, wie Frankreichs Innenminister Gérald Darmanin mitteilte.
Die maritime Präfektur teilte mit, die Rettungsaktion vor dem Küstenort Le Portel bei Boulogne-sur-Mer dauere an. 65 Menschen seien aus dem Wasser gezogen worden, zwölf davon hätten nur noch tot geborgen werden können. Einige der Geretteten würden notfallmedizinisch versorgt. Bei der Rettungsaktion seien zahlreiche Schiffe und Hubschrauber im Einsatz. Alle Migranten auf dem gekenterten Boot, das Richtung Grossbritannien unterwegs war, seien ins Meer gestürzt.
Innenminister Darmanin sprach von einem «schrecklichen Schiffbruch». «Alle staatlichen Stellen sind mobilisiert, um die Vermissten zu finden und sich um die Opfer zu kümmern.» Der Minister wollte am späten Nachmittag am Unglücksort eintreffen.
Boot war mit Migranten ohne Schwimmwesten überladen
Der Sender France 3 berichtete von einem mit Migranten überladenen Boot. Diese hätten keine Schwimmwesten gehabt. «Mir fehlen die Worte, es lässt mir das Blut gefrieren», sagte der Vorsitzende der Migranten-Hilfsorganisation Osmose 62, Dany Patoux, dem Sender angesichts der Leichensäcke am Kai.
«Wir sind erschüttert über die tragischen Todesfälle bei dem jüngsten Vorfall im Ärmelkanal», sagte der Chef der britischen Flüchtlingshilfsorganisation Refugee Council, Enver Solomon. «Die Zahl der Todesopfer im Ärmelkanal war in diesem Jahr schockierend hoch. Dies ist ein verheerender Trend, der zeigt, dass dringend ein umfassender und mehrgleisiger Ansatz erforderlich ist, um die gefährlichen Überfahrten im Ärmelkanal zu verringern.»
Immer wieder überqueren Migranten den Ärmelkanal, um Grossbritannien zu erreichen. Oft unternehmen sie die Reise in kleinen Schlauchbooten. Die Überfahrt ist gefährlich, auch weil der Meeresarm von vielen grossen Schiffen befahren wird. Bei den Überfahrten kommen immer wieder Menschen ums Leben. Zuletzt starben im November 2021 beim Untergang eines Boots vor der nordfranzösischen Küste 31 Menschen, darunter fünf Frauen und ein kleines Mädchen.
Grossbritannien bekämpft Migration über den Ärmelkanal
Grossbritannien versucht, die Migration über den Ärmelkanal seit Längerem auch mit französischer Hilfe einzudämmen und zahlt dafür Millionensummen an Frankreich. Die frühere konservative Regierung wollte Migranten mit einem harten Vorgehen abschrecken – zum Beispiel mit dem Plan, sie ohne Rücksicht auf ihre eigentliche Herkunft nach Ruanda abzuschieben.
Der neue britische Premierminister Keir Starmer allerdings, der seit Juli mit seiner sozialdemokratischen Labour-Partei regiert, hat das Vorhaben wieder gekippt, nachdem auch Gerichte und Menschenrechtsorganisationen es scharf kritisiert hatten. Starmer hat dafür angekündigt, stärker gegen Schlepperbanden vorgehen zu wollen. Vor einigen Tagen erst beriet sich Starmer mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron über den Umgang mit der Migration über den Ärmelkanal.