Oppositionsführer verlässt Venezuela – Asyl in Spanien
Rund sechs Wochen nach der von Betrugsvorwürfen überschatteten Präsidentenwahl in Venezuela hat der Oppositionsführer Edmundo González das Land verlassen. Er sei auf eigenen Wunsch mit einer Maschine der spanischen Luftwaffe in Richtung Spanien unterwegs, teilte das Aussenministerium in Madrid mit. Der spanische Aussenminister José Manuel Albares sagte, González habe einen Asylantrag gestellt, «den die spanische Regierung natürlich bearbeiten und gewähren wird».
Er habe mit dem Venezolaner gesprochen, wurde Albares vom staatlichen spanischen TV-Sender RTVE zitiert. Aus dem Flieger habe er seine Dankbarkeit gegenüber der Regierung und Spanien geäussert. «Und ich habe das Engagement der Regierung für die politischen Rechte aller Venezolaner bekräftigt.» Die linksgerichtete Regierung in Madrid werde sich für Dialog und Verhandlungen zwischen Regierung und Opposition einsetzen, «um eine friedliche Lösung für die Venezolaner zu erreichen», betonte er.
Nach der Präsidentenwahl am 28. Juli hatte die linientreue Wahlbehörde den seit elf Jahren regierenden autoritären Staatschef Nicolás Maduro zum Sieger erklärt. Sie veröffentlichte allerdings nicht die aufgeschlüsselten Resultate. Die Opposition wirft der Regierung Wahlbetrug vor und reklamiert den Sieg für González, gegen den vergangene Woche Haftbefehl erlassen worden war.
Venezuelas Vizepräsidentin Delcy Rodríguez schrieb auf Instagram, González habe sich seit Tagen in Spaniens Botschaft in der Hauptstadt Caracas aufgehalten und das EU-Land um Asyl gebeten. Es habe Kontakte zwischen beiden Regierungen gegeben, und schliesslich habe Venezuela González im Interesse des politischen Friedens freies Geleit gewährt.
Die Opposition machte dazu zunächst keine öffentlichen Angaben. Es ist unklar, inwieweit González’ Abreise die politische Lage verändert.
Die USA und mehrere lateinamerikanische Länder erkennen González als Wahlsieger an. Auch die Europäische Union zweifelt das offizielle Wahlergebnis an.
Zur Wahl hatte die Opposition Daten veröffentlicht: nach ihren Angaben Ergebnisse aus mehr als 83 Prozent der Stimmbezirke. Demnach soll González 67 Prozent der Stimmen erhalten haben – und Maduro nur 30 Prozent.
González mit Haftbefehl gesucht
Der 75-jährige González war Kandidat geworden, nachdem Oppositionsführerin María Corina Machado wegen angeblicher Unregelmässigkeiten aus ihrer Zeit als Abgeordnete die Ausübung öffentlicher Ämter untersagt worden war. Ein Gericht erliess vergangene Woche Haftbefehl gegen González. Ihm wurde unter anderem Amtsanmassung, Aufruf zur Missachtung von Gesetzen, Verschwörung und Sabotage vorgeworfen.
González liess drei Vorladungen der Generalstaatsanwaltschaft verstreichen. Der Aufenthaltsort des früheren Diplomaten war zuletzt unbekannt. Auch Machado hält sich versteckt. Maduro sagte, beide gehörten hinter Gitter.
Im Zuge der Wahl war es zu Protesten gekommen, die von der Staatsgewalt gewaltsam niedergeschlagen wurden. Nach Angaben der Menschenrechtsorganisation Provea kamen 25 Menschen ums Leben, mehr als 2.400 wurden festgenommen. Die Opposition prangerte willkürliche Festnahmen einiger ihrer Vertreter an.
Venezuela untersagt Brasilien Vertretung Argentiniens
Sechs Oppositionelle hatten bereits im März in der argentinischen Botschaft in Caracas Zuflucht gesucht und sind noch immer dort. Nach der Ausweisung von Argentiniens Diplomaten aus Venezuela im Streit um das Wahlergebnis verwaltet Brasilien seit August die Botschaft seines Nachbarlandes. Das werde nicht mehr zugelassen, teilte Venezuelas Regierung am Samstag mit. Grund seien Hinweise, dass in der Botschaft terroristische Aktivitäten sowie Mordkomplotte gegen Maduro und Vizepräsidentin Rodríguez geplant worden seien.
Die Botschaft wird laut Argentiniens Regierung seit Freitagabend (Ortszeit) von venezolanischen Sicherheitskräften und Geheimdienstlern umstellt. Argentinien hatte am Freitag die Anklagebehörde des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag aufgefordert, einen Haftbefehl gegen Maduro zu beantragen.
Einige Länder erkennen Maduros Sieg nicht an
Schon die vorherige Wiederwahl Maduros 2018 war von vielen Ländern nicht anerkannt worden. Der damalige Parlamentspräsident Juan Guaidó erklärte sich zum Interimspräsidenten, konnte sich aber im Land nicht durchsetzen – vor allem, weil das Militär hinter Maduro stand. Dieser war 2013 nach dem Tod von Hugo Chávez als von ihm designierter Nachfolger Präsident geworden.
Venezuela leidet unter Missmanagement, Korruption und internationalen Sanktionen. Mehr als 80 Prozent der Bevölkerung leben unter der Armutsgrenze. Mehr als sieben Millionen Menschen – rund ein Viertel der Bevölkerung – verliessen das Land nach UN-Angaben in den vergangenen Jahren.