Israels Armee setzt Angriffe im Libanon und in Gaza fort
Während sich Israels Armee auf einen Vergeltungsschlag gegen Irans Raketenangriff vorbereitet, geht sie im Libanon und im Gazastreifen weiter mit heftigen Angriffen gegen proiranische Milizen vor. Im Libanon habe die Luftwaffe in der Nacht «eine Serie gezielter Angriffe» auf eine ganze Anzahl von Waffenlagern und «terroristischen Infrastruktureinrichtungen» der Hisbollah im Raum der Hauptstadt Beirut geflogen, teilte die Armee am Morgen mit. Zuvor seien mehrere Massnahmen ergriffen worden, um die Gefahr für Zivilisten zu mindern. Die Angaben konnten unabhängig zunächst nicht überprüft werden.
In einem Gebiet im Zentrum des Gazastreifens habe man zudem zwei Kommandozentralen der islamistischen Hamas angegriffen, teilte die Armee zuvor mit. Eine habe sich in einer ehemaligen Schule befunden, die andere in einer früheren Moschee. Die Streitkräfte hätten auch vor diesen «präzisen» Angriffen zahlreiche Massnahmen ergriffen, um die Gefahr für Zivilisten zu mindern, erklärte die israelische Armee. Arabischen Berichten zufolge gab es in dem Gebiet mindestens 24 Tote und Dutzende Verletzte. Weder die arabischen Berichte noch die Angaben der israelischen Armee liessen sich zunächst unabhängig überprüfen.
Macron fordert Stopp von Waffenlieferungen an Israel
Frankreichs Präsident Macron forderte mit Blick auf den Gaza-Krieg einen Lieferstopp von Waffen an Israel. Es sei vorrangig, zu einer politischen Lösung zurückzukehren und Waffenlieferungen für die Kämpfe im Gazastreifen einzustellen, sagte Macron im Radiosender France Inter. Frankreich werde keine Waffen liefern. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu übte prompt scharfe Kritik an Macron und sprach von einer «Schande».
Während westliche Staats- und Regierungschefs wie Macron Waffenembargos gegen Israel forderten, verhänge der Iran kein solches Embargo etwa gegen die Hisbollah oder die Huthi-Miliz im Jemen, sagte Netanjahu und fügte laut seines Büros hinzu: «Israel wird mit oder ohne ihre Unterstützung gewinnen». Während sein Land gegen «die vom Iran angeführten Kräfte der Barbarei kämpft, sollten alle zivilisierten Länder fest an Israels Seite stehen».
Wie der französische Fernsehsender BFMTV nach dem Macron-Interview unter Berufung auf den Präsidentenpalast meldete, wird Frankreich Israel aber weiter Verteidigungsausrüstung liefern, vor allem zur Raketenabwehr. Die «Times of Israel» zitierte eine Erklärung des französischen Präsidentenpalasts, wonach Macron «die Sicherheit Israels unterstützt». Man werde nicht zulassen, dass der Iran oder einer seiner Stellvertreter Israel angreift, hiess es.
Netanjahu: Reaktion auf Irans Raketenangriff kommt
Netanjahu bekräftigte, dass es eine Reaktion auf den jüngsten iranischen Raketenangriff geben wird. Zum Zeitpunkt oder zur Art der Reaktion äusserte er sich nicht. «Kein Land der Welt würde einen solchen Angriff auf seine Städte und Bürger akzeptieren», sagte er. «Israel hat die Pflicht und das Recht, sich zu verteidigen», sagte Netanjahu in einer Ansprache am Militärhauptquartier in der Küstenmetropole Tel Aviv. Das Militär sei «mitten in der Planung einer Antwort», die «bedeutend» sein werde, berichtete die «Times of Israel». Befürchtet wird, dass die ganze Region in einen folgenschweren Krieg verwickelt werden könnte.
Der Kommandeur der US-Truppen im Nahen Osten, General Michael Erik Kurilla, sei in Israel eingetroffen, um sich während der Vorbereitungen der israelischen Armee mit Vertretern des Militärs zu beraten, meldete die «Times of Israel». Die USA sind Israels wichtigster Verbündeter. Unterdessen greifen sich die Armee und die Hisbollah im Libanon weiter gegenseitig an. Die Explosionen der erneuten israelischen Angriffe im Raum Beirut waren in der ganzen Stadt zu hören, schilderte eine dpa-Reporterin. Die Armee warf der Hisbollah vor, Waffenproduktionsanlagen und Waffen absichtlich unter Wohngebäuden «im Herzen» der Hauptstadt zu verstecken und damit die Zivilbevölkerung in diesem Gebiet zu gefährden.
Die Miliz hatte nach Angaben der Armee zuvor erneut Israel beschossen. Im Raum Kiriat Schmona in Nordisrael seien etwa 30 Geschosse identifiziert worden, die in israelisches Gebiet eingedrungen seien. Einige seien abgefangen worden, andere niedergegangen. Die Miliz habe zuvor bereits rund 130 Flugkörper Richtung Israel gefeuert. Auch diese Angaben des israelischen Militärs liessen sich zunächst nicht unabhängig überprüfen.
«Wir müssen weiterhin Druck auf die Hisbollah ausüben und dem Feind weiteren und kontinuierlichen Schaden zufügen, ohne Zugeständnisse und ohne Ruhepause für die Organisation», sagte der israelische Generalstabschef Herzi Halevi. Israel befürchtet, die Hisbollah-Miliz könnte sich im Falle einer Waffenruhe von den schweren Schlägen der jüngsten Zeit wieder erholen und sich neu gruppieren. Es will die Miliz von der Grenze vertreiben, damit die rund 60.000 von dort evakuierten Israelis zurückkehren können.
Macron will Konferenz zur Unterstützung des Libanon organisieren
Angesichts der Kämpfe will Frankreichs Präsident eine internationale Konferenz zur Unterstützung des Libanons organisieren. Sie soll noch im Oktober stattfinden, zitierten französische Medien Macron. Ziel der Konferenz soll es demnach sein, humanitäre Hilfe zu leisten und die Sicherheit im Süden des Libanons zu stärken. Auf einem Gipfel der frankophonen Länder habe man sich einstimmig für einen sofortigen und dauerhaften Waffenstillstand ausgesprochen und das Engagement für die Deeskalation der Spannungen in der Region zum Ausdruck gebracht, wurde Macron vom Radiosender Europe 1 zitiert.
US-Aussenminister Antony Blinken sprach unterdessen mit seinem saudischen Kollegen Faisal bin Farhan über die hochexplosive Lage im Nahen Osten. Im Mittelpunkt standen die Umsetzung einer UN-Resolution zur Rückkehr der geflohenen Zivilisten an der israelisch-libanesischen Grenze und die internationale Unterstützung für die libanesischen Streitkräfte sowie für die UN-Beobachtermission Unifil, wie Blinkens Ministerium mitteilte. Die Unifil-Mission überwacht das Grenzgebiet zwischen Israel und dem Libanon seit Jahrzehnten.
Tausende demonstrieren in Israel wieder für Geisel-Deal
Kurz vor dem ersten Jahrestag des Hamas-Massakers am 7. Oktober haben in Israel derweil wieder Tausende für einen Deal mit der Hamas über die Freilassung der verbliebenen Geiseln demonstriert. Viele Teilnehmer fürchten, dass das Schicksal der Geiseln angesichts der Kämpfe im Libanon vergessen wird. Die Kundgebungen waren nicht so gross wie sonst oftmals, da es wegen der Sicherheitslage vielerorts Versammlungsbeschränkungen gibt.
«Ein Jahr und sie sind immer noch nicht hier», war auf einem Plakat bei der Kundgebung in Tel Aviv zu lesen. Angehörige der Geiseln werfen Ministerpräsident Netanjahu vor, einen Deal mit der Hamas zu sabotieren und sich den Forderungen seiner ultrareligiösen und rechtsextremen Koalitionspartner zu beugen. Diese sind gegen Zugeständnisse an die Islamistenorganisation. Netanjahu ist auf sie für sein politisches Überleben angewiesen.
Am 7. Oktober 2023 hatten Terroristen der Hamas und anderer extremistischer Gruppen mehr als 1.200 Menschen in Israel getötet und etwa 250 weitere als Geiseln nach Gaza verschleppt. Dies war der Auslöser des Krieges. Seither wurden laut der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde rund 42.000 Palästinenser in Gaza getötet. Die Zahl unterscheidet nicht zwischen Kämpfern und Zivilisten und lässt sich kaum überprüfen.