Auf ein Spektakel gehofft, ein Debakel erlebt
von Simon Scheidegger und Pascal Vogel
Patrick Rahmen kam im Mai nach Bern. Ausgestattet mit einem Zweijahresvertrag, wurde der Basler mit der Aufgabe betraut, die erfolgreiche Ära der Young Boys fortzuführen, die in den letzten sieben Jahren nur einmal nicht Schweizer Meister wurden. Rahmen hatte sich die Beförderung zum YB-Trainer mit erfolgreicher Arbeit in Winterthur verdient. Er hatte den FCW in der Vorsaison nicht nur vor dem Abstieg bewahrt, sondern mit spektakulärem Offensivfussball bisweilen die Liga aufgemischt – und auf der Schützenwiese beinahe dafür gesorgt, dass die Winterthurer im Europacup antreten können.
Es ist ein Leistungsausweis, der auch an der Berner Papiermühlestrasse Eindruck hinterlassen hat. Nach der schwierigen letzten Saison, in der die Young Boys auf dem Weg zum 17. Meistertitel einige Turbulenzen wie die Entlassung von Trainer Raphael Wicky zu überstehen hatten, sehnte sich die sportliche Führung um Verwaltungsrat Christoph Spycher und Sportchef Steve von Bergen nach offensivem, erfolgreichem Fussball – wie ihn Rahmen in Winterthur spielen liess.
Auch der Assistent muss gehen
Nach nur gerade 15 Pflichtspielen und knapp fünf Monaten ist das Projekt gescheitert und muss Rahmen gemeinsam mit Assistent Enrico Schirinzi die Young Boys verlassen. «Wir haben in den letzten Wochen alles versucht, in dieser Konstellation die Trendwende zu schaffen. Aber es ist uns leider nicht gelungen», lässt sich von Bergen in der Mitteilung des Vereins zitieren und bedient sich damit einer gängigen Floskel, die gerne bemüht wird, wenn ein Fussballverein sein schwächstes Glied, den Cheftrainer, austauscht. Nach ausführlichen Gesprächen und Analysen sei man zum Schluss gekommen, dass es einen Wechsel brauche, so Spycher. «Unsere Lage als Tabellenletzter nach neun Runden ist höchst unerfreulich. Es geht darum, wieder in die Spur zu finden.» Rahmen selbst liess sich wie folgt zitieren: «Die sportliche Situation in der Meisterschaft ist für uns sehr unbefriedigend. Ich war aber voller Energie und der vollen Überzeugung, dass wir es zusammen schaffen würden, uns aus die-ser Situation zu befreien, zumal wir uns für die Champions League qualifiziert haben und im Schweizer Cup weiter dabei sind.»
Neun Ligaspiele, ein Sieg
Mit seiner umgänglichen, kommunikativen Art hatte sich Rahmen auch in Bern schnell viele Sympathiepunkte geholt. Und dank des Weiterkommens in den Play-offs zur reformierten Champions League gegen Galatasaray Istanbul verewigte er sich nach Gerardo Seoane, David Wagner und Wicky als vierter Trainer in den Geschichtsbüchern von YB, der den Klub in die Königsklasse geführt hat – und der Klubkasse einen neuerlichen Geldsegen bescherte.
Doch die Punkte, die im unerbittlichen Fussballalltag wirklich zählen, diejenigen in der Tabelle der Super League, die flossen in der Ära Rahmen nur spärlich auf das YB-Konto. Nach neun Runden haben die Young Boys lediglich eine Partie in der Super League für sich entschieden. Am 22. September mit 4:1 beim damaligen Schlusslicht Winterthur, das die darbenden Berner aber am vergangenen Wochenende wieder überholt und damit ans Tabellenende verbannt hat.
Es ist ein Anblick, den die YB-Verantwortlichen nun mindestens knapp zwei Wochen ertragen müssen. Dann geht die Meisterschaft nach der Nationalmannschaftspause mit einem Heimspiel gegen Luzern weiter. Auch aufgrund dieses Unterbruchs sehen die Berner Strategen den Moment gekommen, der Mannschaft mit dem Wechsel an der Seitenlinie neue Impulse zu verleihen.
U-21-Coach springt wieder ein
Interimistisch wird das Team vorerst von Joël Magnin geleitet. Der 53-Jährige kennt die Rolle des «Feuerwehrmannes». Bereits im vergangenen März, nach der Freistellung von Raphael Wicky, hatte der U-21-Coach bei den Bernern nach der temporären Beförderung die Verantwortung für die Super-League-Mannschaft übernommen – und sie zum Meistertitel geführt. Nach der Verpflichtung von Rahmen trat Magnin wieder auf seinen angestammten Posten zurück. Das soll auch dies-mal wieder der Fall sein, wie die Berner kommunizierten.
«Wir haben die Überzeugung, dass es mit ihm gelingen wird, der Mannschaft wieder mehr Selbstvertrauen zu vermitteln und Stabilität zu verleihen. Er hat im Frühling bewiesen, aus einer schwierigen Situation mit dem Trainerstaff das Beste aus der Mannschaft herausholen zu können», so Spycher und Von Bergen. Man müsse in ihrer Situation nicht vom Meistertitel reden, sondern davon, Schritt für Schritt aus dem Tief zu finden. Das allein sei eine sehr grosse Herausforderung.
Patrick Rahmen ist nicht mehr Trainer der Young Boys. Zwei Tage nach der 0:1-Niederlage in Basel wird der 55-Jährige per sofort freigestellt. Interimistisch übernimmt – einmal mehr – Joël Magnin.
«Ich war voller Energie und der vollen Überzeugung, dass wir es zusammen schaffen, uns aus dieser Situation zu befreien.»
Patrick Rahmen
Bei YB entlassener Trainer
«Wir haben alles versucht, in dieser Konstellation die Trendwende zu schaffen. Aber es ist uns leider nicht gelungen.»
Steve von Bergen
Sportchef der Young Boys