Sozialdemokraten beklagen Brandmauer-Bruch im EU-Parlament
Die Sozialisten und Sozialdemokraten im Europaparlament (S&D) werfen dem Mitte-Rechts-Bündnis EVP unter der Führung von CSU-Politiker Manfred Weber vor, eine informelle Brandmauer gegen Rechtsaussen zu missachten. Hintergrund ist ein Streit darum, in welcher Reihenfolge die designierten neuen EU-Kommissarinnen und -Kommissare vom Parlament befragt werden.
Eine Mehrheit der Vorsitzenden der Fraktionen rechts der Mitte hat entschieden, dass die Anhörung der spanischen Sozialistin Teresa Ribera am Ende des Prozesses stattfindet, was als Druckmittel gegen die Sozialisten und Sozialdemokraten genutzt werden kann, denn das EU-Parlament kann die Anwärterinnen und Anwärter verhindern.
Entscheidung mit Bedeutung
Die Entscheidung hat politische Bedeutung, denn die S&D geht davon aus, dass damit auch der rechte Kommissaranwärter Raffaele Fitto geschützt werden soll. Die Befürchtung: Wenn Abgeordnete links der Mitte zu hart mit rechten und konservativen Kandidaten ins Gericht gehen, wird aus Rache am Ende Ribera verhindert. Die Spanierin soll unter den linken Kommissionsanwärtern den mit Abstand einflussreichsten Posten bekommen.
Der Cordon Sanitaire ist nach Angaben aus mehreren Fraktionen eine informelle Übereinkunft der EVP, S&D, Liberalen und der Grünen, nicht mit Rechtsaussen zusammenzuarbeiten und beispielsweise keine Anträge der PfE und ESN zu unterstützen oder deren Politiker zu Vorsitzenden in Parlamentsausschüssen zu wählen. Schriftlich festgehalten ist der Cordon Sanitaire aber nicht.
Die S&D-Fraktionsvorsitzende Iratxe García Pérez sagte mit Blick auf die Abstimmung, die Brandmauer sei von denjenigen missachtet worden, die eine Mehrheit mit der extremen Rechten bildeten. Indirekt warf sie damit CSU-Politiker Weber vor, mit Rechten und Rechtsextremen zu paktieren.
Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Terry Reintke sagte, Weber habe gemeinsam mit rechtsextremen Fraktionen gestimmt. Weber äusserte sich zunächst nicht.
Widerspruch aus EVP-Kreisen
Nach dpa-Informationen stimmte neben der EVP auch die rechtskonservative EKR, der etwa die Partei von Italiens rechter Ministerpräsidentin Giorgia Meloni angehört, das Rechtsaussen-Bündnis PfE um Ungarns Regierungschef Viktor Orban sowie die ESN-Fraktion, der unter anderem die AfD angehört, für den nun beschlossenen Zeitplan. Die Stimmen der ESN wären für eine Mehrheit nicht notwendig gewesen.
Aus EVP-Kreisen hiess es nach der Abstimmung: Die EVP habe einem Vorschlag zugestimmt, den der SPD-Politiker Bernd Lange vorgelegt habe. «Der Vorschlag entspricht der gängigen Praxis der vergangenen Legislaturperioden.» Lange sagte der dpa, er habe zwei Vorschläge eingereicht, weil es zuvor im vorbereitenden Ausschuss keine klare Mehrheit für die eine oder die andere Position gegeben habe und er sich der Neutralität verpflichtet gefühlt habe.