Kanton Zürich will giftige Abfälle aus dem See holen
An verschiedenen Stellen rund um den Zürichsee schlummern unliebsame Überbleibsel der einstigen Industrie in den Böden. Manchmal ist umstritten, was mit den krebserregenden Abfällen wie Arsen, Quecksilber oder Blei in der Erde und im Seegrund passieren soll.
So wurde vor wenigen Tagen bekannt, dass der Regierungsrat zwei Millionen Franken für eine Aufwertung der belasteten Moorlandschaft auf der Halbinsel Au entgegen dem Willen der Zürcher Baudirektion nicht genehmigt. Die Abfälle bleiben bis auf weiteres im Boden.
Gleichzeitig wird jetzt klar: Die Zürcher Baudirektion treibt bereits die nächste – noch viel grössere – Entfernung von Schadstoffen voran. Im Seegrund vor dem Richterswiler Horn sowie der einstigen Horgner Papierfabrik liegen Zehntausende von Kubikmetern an belastetem Material. Nun hat der Kanton Zürich die Suche nach einem Generalplaner gestartet, der die beiden Seegrundsanierungen konkretisiert.
Absaugen wie in Uetikon?
Vor dem Ufer der einstigen Papierfabrik in Horgen sind rund 30 000 Kubikmeter Seegrund mit Papierschlamm durchsetzt. Es sind Rückstände, welche die Fabrik bis mindestens Mitte der 1960er-Jahre mit Erlaubnis der Behörden in den Zürichsee ableitete.
Die Altlasten im Seegrund vor dem Richterswiler Horn gehen auf die einstigen Baumwolldruckereien und späteren Gummiwerke zurück. Zwischen 1837 und 1979 gelangten Schwermetalle in den See, sodass heute rund 9000 Kubikmeter Seegrund durch Materialien wie Arsen, Quecksilber, Kobalt und Blei verunreinigt sind.
Gefährlich für die Oberflächengewässer sind die Schadstoffe zwar nicht. Dennoch steht schon lange fest, dass das Material rausmuss. Doch wie? Für die Seegrundsanierungen vor der Chemiefabrik Uetikon und bei den Teerablagerungen vor den Ufern Thalwils hatte der Kanton Zürich die Altlasten mit einer Art riesigem Sauger aus dem See geholt.
Die Zürcher Baudirektion schreibt auf Anfrage dazu: «In Thalwil und Uetikon konnten gute Erfahrungen mit dem Absaugen des belasteten Mate-rials gemacht werden.» Ob diese oder eine andere Technik in Horgen und Richterswil angewendet werde, werde jedoch erst klar, wenn der nun gesuchte Generalplaner ein Sanierungsprojekt erarbeitet habe.
Altlasten bleiben vorerst auf der Halbinsel
Im Fall von Richterswil befinden sich Schadstoffe auch an Land. Bereits 2015 wurde auf der Horn-Halbinsel die oberste Erdschicht saniert, weil die Quecksilberbelastungen zu hoch waren.
«Eine weitere Bodensanierung ist Stand heute nicht notwendig», schreibt die Baudirektion. Das Grundwasser werde jedoch regelmässig analysiert. Dies auch, weil insbesondere die Konzentration von Arsen die Überwachung notwendig macht.
Aktuell prüft das Bundesamt für Umwelt, ob gewisse Grenzwerte für Schadstoffe im Grundwasser gesenkt werden sollen. Was das für das Horn heisse, werde der Kanton Zürich Ende 2025 prüfen. «Ob und in welchem Rahmen auch landseitig Sanierungsmassnahmen notwendig werden könnten, ist deshalb Stand heute nicht klar», schreibt die Baudirektion.
Verursacher sollen zahlen
Zusammen kosten die beiden Seegrundsanierungen gemäss Kanton Zürich grob geschätzt über 25 Millionen Franken. Die genauen Kosten werden erst klar, wenn der Generalplaner die Projekte ausgearbeitet hat.
Stand heute fallen davon rund 14 Millionen für die Arbeiten in Richterswil an. Einen Teil der Kosten übernimmt der Kanton als Grundeigentümer des Sees. Der Rest soll nach dem Verursacherprinzip aufgeteilt werden. Die Baumwolldruckereien gibt es aber schon lange nicht mehr, und es besteht auch keine Rechtsnachfolge. Diesen Teil muss der Kanton übernehmen. Anders sieht es bei der Gummifabrik aus. «Für die Gummiwerke gibt es mit der Gurit Holding AG eine Rechtsnachfolge, welche einen Teil der Sanierung bezahlt», schreibt die Baudirektion. Wie hoch diese Beträge sind, lässt der Kanton Zürich offen. Sicher ist aber: «Auf die Gemeinde Richterswil werden für die Seegrundsanierung keine Kosten überwälzt.» Komplizierter gestaltet sich die Situation in Horgen, wo sich die Kosten auf rund 11,5 Mio. Franken belaufen. Die Nachfolgefirmen der Papierfabrik sind nämlich in Konkurs gegangen. Unter anderem wegen des Vorwurfs der Misswirtschaft und der Gläubigerschädigung mussten sich zwei ehemalige Verwaltungsräte der Papierfabrik Anfang Jahr vor Gericht verantworten. Das Bezirksgericht Baden sprach eines der Verwaltungsratsmitglieder schuldig, das andere teilweise frei. Ein Zivilverfahren läuft ebenfalls. Stand heute soll der Kanton vier Millionen Franken von den beiden erhalten. Mindestens eine Beschuldigte wird den Fall weiterziehen, und auch der Kanton Zürich hat als Privatkläger «zur Wahrung sämtlicher Rechte» ebenfalls Berufung angemeldet.
Bis die Finanzierung geregelt und der Seegrund gereinigt ist, wird es noch ein paar Jahre dauern. Ziel des Kantons ist es, die Arbeiten bis 2032 abgeschlossen zu haben.
Vor Richterswil und Horgen sind Zehntausende Kubikmeter Seegrund mit schädlichen Stoffen kontaminiert. Jetzt treibt der Kanton Zürich die Sanierung voran. An Land sieht es vorerst anders aus.