Detektivische Suche nach Raubkunst im Kunstmuseum St. Gallen
Im Kunstmuseum St. Gallen werden in der Ausstellung «Vorwärts in die Vergangenheit» Ergebnisse der Provenienzforschung präsentiert. Es geht dabei um die Suche nach der Herkunftsgeschichte von Gemälden von Carl Spitzweg, Aert van der Neer oder Ferdinand Hodler.
Die kleine Ausstellung «Vorwärts in die Vergangenheit» findet sich etwas versteckt inmitten der Räumlichkeiten, die für die Präsentation der Sammlung reserviert sind. Mit einigen wenigen Beispielen wird dort der aktuelle Stand bei der Erforschung der Herkunftsgeschichte einiger Gemälde gezeigt.
Bekannt ist der inzwischen abgeschlossene Fall von Ferdinand Hodlers «Thunersee mit Stockhornkette», einer Leihgabe der Simon und Charlotte Frick-Stiftung. Erst nach dem Kauf 1985 stellte sich heraus, dass das Werk in den 1930-er Jahren dem jüdischen Sammler Max Silberberg gehört hatte. 2023 einigte sich die Stiftung mit dem Nachlass Silberberg. Das Bild kann als Dauerleihgabe im Kunstmuseum bleiben.
Neu ist die Geschichte des Gemäldes «Winterliche Flusslandschaft bei Mondschein» des Niederländers Aert van der Neer (1603 – 1677). Es gelangte 2018 durch eine Schenkung von Maria und Johannes Krüppel-Stärk in die Sammlung des Kunstmuseums. Sie hatten das Bild 1978 in Köln für 22’000 DM gekauft.
Indizien auf der Rückseite
Ausgestellt ist für einmal die Rückseite des Bildes. Dort finden sich verschiedene Hinweise auf die Herkunft. Zu sehen ist etwa eine Etikette mit der Aufschrift «Galerie Goudstikker, Amsterdam». Jacques Goudstikker war in den 1930-er Jahren ein bedeutender Kunsthändler in Amsterdam.
Es gibt weitere Belege, dass das Gemälde in seinem Besitz war. So ist das Bild im erhalten gebliebenen Bestandesbuch der Galerie mit der Nummer 2654 aufgeführt. Die Nummer stimmt mit der Galerie-Etikette auf der Rückseite des Gemäldes überein.
Goudstikker floh 1940 vor den deutschen Truppen und verunglückte bei der Überfahrt nach England tödlich. Die Bilder der Galerie wurden von den Deutschen konfisziert.
Reichsmarschall Hermann Göring habe sich einen grossen Teil davon gesichert, heisst es in der Ausstellung. Erhalten blieb ein kleines Notizbuch, das Goudstikker gehörte. Auch dort ist das Gemälde van der Neers mit der Nummer 2654 verzeichnet.
Als Raubkunst erkannt
Auf der Etikette findet sich zudem eine weitere, schwer lesbare Zahl: 6119. Sie verweise auf den Eintrag im Central Collecting Point, München. Dort sei «Winterliche Flusslandschaft bei Mondschein» nach der Sicherstellung durch die Alliierten 1945 zwischengelagert worden.
Beim Gemälde handle es sich um Raubkunst, schliessen die Expertinnen und Experten des Kunstmuseums aus den vielen Belegen. Es sei bereits eine Lösung mit den Nachfahren von Jacques Goudstikker gefunden worden. Nach der Ausstellung «Vorwärts in die Vergangenheit» werde deshalb das Gemälde den Erben übergeben. Zu sehen sind die Ergebnisse der Provenienzforschung im Kunstmuseum noch bis am 27. April.