Manuel Zehnder für Mut und Konsequenz belohnt
Manuel Zehnder riskiert viel, doch es kommt gut heraus. Nun will der Torschützenkönig der vergangenen Bundesliga-Saison mit der Schweiz gut in die EM-Qualifikation starten.
Es ist eine spezielle Geschichte, die den Charakter von Manuel Zehnder perfekt beschreibt. 2022 wechselt der 25-jährige Spielmacher von Suhr Aarau in die Bundesliga zu Erlangen. Nach einer schwierigen Saison wird er nach Eisenach ausgeliehen, wo sein Förderer Misha Kaufmann als Trainer tätig ist. Zehnder startet durch und wird mit 277 Treffern als erster Schweizer Torschützenkönig der Bundesliga. Bloss dreimal ist ein Spieler in der wohl besten Handball-Liga der Welt in einer Saison häufiger erfolgreich gewesen.
Rechtsstreit mit Ex-Verein
Erlangen freut die positive Entwicklung. Die Verantwortlichen beabsichtigen, eine Mannschaft um Zehnder herum für die Zukunft aufzustellen. Doch hat dieser andere Pläne und kündigt Ende Mai den bis 2026 gültigen Vertrag. Er sieht sich im Recht, weil er mit einer speziellen App elektronisch unterschrieben hat und gemäss deutschem Arbeitsrecht für die Gültigkeit befristeter Verträge ein unterschriebenes Original notwendig ist, ansonsten das Arbeitsverhältnis als unbefristet gilt.
Erlangen akzeptiert die Kündigung jedoch nicht, weshalb es zum Rechtsstreit kommt. Zehnder möchte die Sache in einem beschleunigten Verfahren klären, ein solches wird aber zweimal abgelehnt. Er ist zwar mit einigen Vereinen in Kontakt, doch weil sich ein Hauptsacheverfahren in die Länge ziehen kann, herrscht eine grosse Ungewissheit. Er ist sich bewusst, dass er im schlimmsten Fall die ganze Saison nicht spielen darf.
«Ich habe meine Prinzipien», sagt Zehnder. «Ich bin nicht die Figur von jemandem. Wenn ich mich irgendwo nicht wohlfühle oder nicht wertgeschätzt wird, was ich mache, gehöre ich dort nicht hin. Ich hätte meinen Entscheid nicht bereut – egal, was passiert wäre.» Der Mut, konsequent für sich einzustehen, zahlt sich für Zehnder am Ende aus. Am 21. August wird bekannt, dass er für zwei Jahre bei Magdeburg unterschrieben hat.
Schmid attestiert Zehnder seltene Qualitäten
Die Ostdeutschen sind eine der Top-Adressen im Handball. Ende Mai gewinnen sie zum zweiten Mal in den letzten drei Saisons und zum dritten Mal insgesamt den Meistertitel. Zudem triumphieren sie 2023 zum vierten Mal in der Champions League. «Es ist alles grösser, die Mitspieler sind besser, was zu einem höheren Level im Training führt», umschreibt Zehnder die Unterschiede zu seinen bisherigen Stationen.
Selbstredend wirkt sich die grosse Konkurrenz auf seine Spielzeit aus; bei Eisenach war er unbestritten. «Ich bin nie zufrieden. Egal, wie viel ich spiele», sagt Zehnder dazu. «Es macht jedoch Spass, mich jeden Tag mit diesen Topspielern zu messen und besser zu werden.» Wie beurteilt der Schweizer Nationaltrainer Andy Schmid Zehnders Anfangszeit bei Magdeburg? «Er hat Hochs und Tiefs. Ich erkenne mein erstes Jahr in der Bundesliga (das schwierig war) wieder.» Solchen Topspielern müsse man das Gefühl gegeben, ihnen etwas zu bringen. Sonst würden sie dich nicht beachten. «Akzeptanz kriegst du nur mit Leistung. Er erhält vom Trainer nicht mehr alle Freiheiten, sondern ist nun nach zwei, drei Fehlern draussen.»
Gleichwohl hält Schmid auf Zehnder grosse Stücke. «Er ist mit einer individuellen Qualität gesegnet, die nicht viele Spieler haben.» Er müsse aber noch lernen, wann er die Verantwortung übernehmen und wann er sie abgeben muss. «Gelingt ihm das, hat er das Potenzial für die Weltklasse.»
Ein sehr spezielles Spiel
Im Nationalteam ist er als Regisseur der verlängerte Arm von Schmid, der ihm Leitplanken setzt. Das Spiel am Donnerstag in Mannheim ist für Zehnder umso spezieller, als er wegen seiner Mutter auch den deutschen Pass besitzt. Für Deutschland anzutreten war für ihn durchaus ein Thema. Wie sieht er die Chancen gegen den Olympia-Zweiten? «Deutschland ist sicher der Favorit. Gegen Slowenien (in der WM-Qualifikation) zeigten wir jedoch, dass wir gegen Topteams mitspielen und sie an gewissen Tagen auch schlagen können.»
Am Sonntag ist dann in Schaffhausen Österreich der zweite Gegner in der EM-Qualifikation. Es ist ein Schlüsselspiel, machen doch im Normalfall die Schweiz und Österreich den 2. Rang in der Gruppe 7 unter sich aus – das vierte Team ist die Türkei. Die ersten zwei Mannschaften jeder Gruppe sind Anfang 2026 sicher an der EM-Endrunde in Dänemark, Schweden und Norwegen dabei. Dazu kommen die besten vier Drittklassierten. «Der Sonntag ist extrem wichtig. Vorher wollen wir aber Deutschland unbedingt bezwingen», sagt Zehnder.