Die fünf Hauptgründe für den Abstieg aus der Nations League
Fünf Spiele, zwei Punkte, Abstieg: Die Schweizer Nationalmannschaft spielt in der nächsten Nations League nicht mehr in der höchsten Liga. Ursachenforschung für das Scheitern nach dem EM-Hoch.
Ja, das 1:1 gegen Serbien an diesem garstigen Freitagabend im Letzigrund von Zürich war zu wenig, um den Ligaerhalt mit einem Exploit am Montag in Spanien noch bewerkstelligen zu können. Die fünf Hauptgründe für den ersten Schweizer Abstieg in der Nations League liegen jedoch nicht in diesem fünften sieglosen Spiel, in welchem das Resultat sich nicht mir der ordentlichen Leistung der Mannschaft von Murat Yakin deckte:
Naivität
«Dieses Spiel widerspiegelt die ganze Kampagne», sagte Remo Freuler im Nachgang an das Heimremis gegen Serbien durch das späte Gegentor in der 88. Minute. Er spielte dabei auf das kopflos aus der Hand gegebene 1:0 an, das immerhin den ersten Sieg und noch eine theoretische Chance auf den Ligaerhalt bedeutet hätte. «Wir hatten das Momentum auf unserer Seite, wollten unbedingt das 2:0. Und dann riskieren wir zu viel, wie so oft in dieser Kampagne», so der Vorbereiter von Zeki Amdounis verdientem Führungstreffer in der 79. Minute.
Murat Yakin sprach beim Gegentor von fehlender Erfahrung: «Nach dem 1:0 hatten wir eine gewisse Euphorie und waren dann etwas zu unkonzentriert. Wir waren mit sieben Spielern in der gegnerischen Box. In der Regel sind es fünf und zwei sichern ab.»
Naivität und fehlende Abgeklärtheit sind ein Muster, das sich durch die Schweizer Spiele in dieser Nations League zog. Beim 2:2 gegen Dänemark gaben die Schweizer zwei Führungen aus der Hand. Beim 0:2 in Serbien hatte Yakins Team die besseren Chance, doch der Gegner schoss die Tore. Die Tore zum 0:2 in Dänemark kassierte die Schweiz nach der 82. Minute. «Wir müssen lernen, schlauer zu sein», hatte Breel Embolo schon nach der Auswärtsniederlage in Serbien gesagt.
Ineffizienz
«Wenn man die vielen guten Chancen sieht, müssen wir in der zweiten Halbzeit mindestens drei Tore machen», befand Captain Granit Xhaka nach dem 1:1 im Letzigrund. «Wenn wir die Chancen besser verwerten, gewinnen wir zwei oder drei zu null», sagte Freuler. Yakin meinte, man habe einen hohen Aufwand betrieben und umgesetzt, was man vorhatte. «Wir hatten viele Torszenen, aber keine Effizienz. Das Gegentor ist ärgerlich. Aber ich denke, wir müssen eher über die Chancenverwertung als über das Gegentor sprechen.»
Schon nach der Niederlage in Leskovac hatte Fabian Rieder die fehlende Effizienz bemängelt. Beim 0:2 in Serbien kam der Algorithmus auf 1,60 erwartete Tore für die Schweiz und 0,66 für Serbien, beim 1:1 belief sich der Wert auf 2,46 zu 1,53. Zuhause gegen Dänemark waren es 2,13 zu 1,15 erwartete Tore.
Defensive Instabilität
«Wenn du so viele Gegentore bekommst, wird es schwierig zu gewinnen», sinnierte Freuler. Zehn Gegentore in vier Spielen seien zu viel, meinte Yakin mit Blick auf die Partien vor dem zweiten Serbien-Match. «Offensiv haben wir Argumente. Aber defensiv müssen wir wieder mehr Ordnung reinbringen.»
Yakins Händchen im schwierigen Umbruch
An der EM war sein Gespür der grosse Trumpf. Fast alle taktischen und personellen Kniffe gingen auf. In der Nations League, wo Murat Yakin einen Umbruch vorantreiben muss, war das nicht mehr der Fall.
Die Rücktritte von Xherdan Shaqiri, Fabian Schär und Yann Sommer wiegen schwer – wahrscheinlich noch schwerer, als es auf den ersten Blick scheint, weil es für Sommer in Gregor Kobel einen Top-Nachfolger gibt, weil Shaqiri das fortschreitende Alter in seinen letzten Länderspielen nicht mehr mit seinem Zauberfuss kaschieren konnte und weil der Wert der Verteidiger neben Manuel Akanji wohl verkannt wurde.
Bislang vermittelt indes nur Goalie Kobel den Eindruck, die Lücke zeitnah zu schliessen. Wer in die Fussstapfen von Shaqiri und Schär treten soll, ist noch nicht ersichtlich. Geniale Momente wie jene von Shaqiri fehlen bislang, das Casting in der Abwehr reicht von A wie Aurèle Amenda über Ulisses Garcia, Albian Hajdari, Miro Muheim, Becir Omeragic, Leonidas Stergiou, Silvan Widmer und Gregory Wüthrich bis Z wie Cédric Zesiger.
Zwar wurde einiges durch Verletzungen und Sperren erzwungen. Gleichwohl fällt es bislang schwer, einen konkreten Plan zu erkennen. Anders als an der EM kann Yakin die Fragezeichen hinter dem schwer erkennbaren Konzept nicht mit Resultaten wegwischen.
Fehlendes Glück und die Schiedsrichter
Yakin schob den Vorwand in den letzten Wochen vielleicht ein bisschen zu oft vor. Aber der Nationalcoach hat nicht Unrecht, wenn er auf das fehlende Glück und unglückliche Schiedsrichter-Entscheide verweist. «Sehr viele Dinge sind gegen uns gelaufen», meinte auch Xhaka. «Dinge» wie Nico Elvedis irrtümlicher Platzverweis in Dänemark, Breel Embolos verschossener Penalty in Serbien, die zwei fälschlicherweise aberkannten Corner-Tore, der Chancen-Wucher, der auch ungewöhnlich viele Pfosten- und Lattenschüsse beinhaltete, die vielen Verletzungen und Ausfälle wegen Sperren.
«Viele Fehlentscheide haben uns Punkte gekostet, anders kann ich es nicht erklären», sagte Yakin vor dem zweiten Serbien-Match. Nach der Partie am Freitagabend meinte er: «Wir wollen nicht nach Entschuldigungen suchen. Das Thema VAR und Schiedsrichter haben wir durch, auch wenn es in der Summe zu viele Fehlentscheide gab und man heute beim gestreckten Bein von Aleksa Terzic gegen Zeki Amdouni eine Rote Karte hätte geben können.»