Tadej Pogacar und die Frage nach dem GOAT
Tadej Pogacar glaubt, dass es schwierig wird, seine grandiose Saison 2024 zu wiederholen. Die Radsportwelt erwartet indes, dass der Slowene weiter dominieren und am Thron von Eddy Merckx rütteln wird.
Als Hauptprotagonist an zahlreichen Galas und Preisverleihungen erlebte Tadej Pogacar einen turbulenten Herbst. Der Rummel veranschaulicht die neue Dimension eines Champions, der auf dem Weg ist, über den Radsport hinaus zu einem globalen Star des Sports zu werden.
Im Oktober verlängerte Pogacar seinen Vertrag mit dem Team UAE für ein geschätztes Jahresgehalt von 7,5 Millionen Franken bis 2030. Anfang Dezember stieg er wieder ins reguläre Training ein, um sich auf das Jahr 2025 vorzubereiten. In diesem hat er die unglaubliche Bilanz von 25 Siegen zu verteidigen.
«Ein supernetter Typ»
Die Wiederholung eines Raubzugs wie 2024 erscheint ihm selbst «fast unmöglich», wie er gegenüber der Nachrichtenagentur AFP sagt. Die Vorherrschaft des Ogers aus Slowenien war so gross, dass der Spanier Pedro Delgado, Sieger der Tour de France 1988, überzeugt ist, dass Pogacar «eine Diktatur errichtet» hat, die «noch fünf Jahre andauern» wird.
«Im Vergleich zu unserer Generation hat er viel mehr Unterstützung, einen Pressesprecher, einen Agenten und einen Manager, die ihn beschützen», erklärt der Ire Stephen Roche, der 1987 als letzter Fahrer vor Pogacar das Triple aus Giro, Tour und WM gewonnen hat. «Pogacar ist ein supernetter Kerl. Er hätte Schwierigkeiten, Nein zu sagen. Aber er hat jemanden, der das für ihn tut.»
Weil Roche bei Pogacar keinen Motivationsverlust erkennt, wird der Slowene seiner Meinung nach auch 2025 grosse Erfolge feiern: «Er ist ein Träumer, der sich keine Grenzen setzt. Er versucht nicht unbedingt, der Beste aller Zeiten zu werden. Er sagt sich eher: Ich nehme alles, was kommt, und dann sehen wir weiter. Vielleicht ist er bereits der Beste…»
Ist er schon der GOAT?
Ist Pogacar schon der GOAT (Greatest of All Time)? Diese Frage stellt sich seit dieser Saison – auch wenn Pogacar noch nicht ganz die gleiche Erfolgsbilanz wie Eddy Merckx in den 1960er- und 1970er-Jahren vorweisen kann und die Epochen schwer zu vergleichen sind. Pogacar steht bei 88 Siegen, gewann dreimal die Tour de France, einmal den Giro d’Italia, einen WM-Titel und sieben Monumente. Zudem sticht er durch seine offensive Fahrweise heraus.
«Um der GOAT zu sein, muss man grosse Rennen gewinnen, es mit Stil und über einen langen Zeitraum tun», sagt der in diesem Jahr zurückgetretene Brite Luke Rowe. «Pogacar erfüllt die ersten beiden Bedingungen und praktisch auch schon die dritte. Wenn er noch einmal eine Saison wie diese fährt, wird er der Beste aller Zeiten sein, das ist sicher.»
Bernard Hinault zeigte sich in einem Interview mit der «Gazzetta dello Sport» überzeugt, dass Pogacar am Ende vor ihm und Merckx stehen wird. Der 70-jährige Franzose sieht den 26-Jährigen insbesondere als ersten, der die Tour de France sechsmal gewinnen wird. Er selbst hatte die Tour zwischen 1978 und 1985 fünfmal gewonnen.
Die Konkurrenz geht ihm aus dem Weg
Der Gewinn aller fünf Monumente ist eine weitere Herausforderung für Pogacar. Er muss noch Mailand-Sanremo gewinnen, wo er von Jahr zu Jahr näher gekommen ist, und Paris-Roubaix, das er noch nie gefahren ist. Der vierfache Roubaix-Sieger Tom Boonen hat «keinen Zweifel daran», dass Pogacar auch diese beiden Monumente «eines Tages gewinnen» wird.
Was die Vuelta betrifft, so scheint sie für Pogacar eine Formalität zu sein, wenn er sich entschliesst, dort anzutreten. 2025 könnte dies der Fall sein, gegen eine fast schon resignierende Konkurrenz. Primoz Roglic etwa erklärte auf die Frage nach seinem Programm für die kommende Saison sein Rezept, um nicht unter der Dominanz seines Landsmanns zu leiden: «Ich werde mir zuerst sein Programm ansehen und dann dorthin gehen, wo er nicht sein wird.»