Behördenfehler nach Anschlag von Magdeburg im Fokus
Nach der Todesfahrt in Magdeburg gewinnt die Debatte um mögliche Fehler von Behörden und Polizei in Deutschland an Fahrt.
Während in der sachsen-anhaltischen Landeshauptstadt vor allem das Sicherheitskonzept des Veranstalters zum Schutz des Weihnachtsmarkts und das Agieren der Polizei auf dem Prüfstand stehen, richtet sich der Blick in Berlin auch auf Konsequenzen in der Migrationspolitik.
CDU/CSU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz forderte ein härteres Vorgehen gegen Täter mit Migrationshintergrund. «Wir sind im Umgang mit den Feinden unserer Demokratie einfach nicht konsequent genug. Wir dulden zu viele Menschen in Deutschland, die sich nicht integrieren wollen», schreibt der CDU-Chef in seinem E-Mail-Newsletter «MerzMail».
Ausweisungen müssten auch möglich sein, wenn keine Straftatbestände festgestellt seien, verlangte Merz. Der Täter von Magdeburg scheine ein besonders aggressiver Islam-Gegner zu sein, schrieb Merz. Es würden auch mit diesem Täter offensichtlich Konflikte auf deutschem Boden ausgetragen, die man nicht dulden könne. Leitsatz müsse sein: «Wir wollen solche (potenziellen) Straftäter nicht in unserem Land haben!»
Scholz erwartet Aufarbeitung der Behörden
Merz erinnerte an die Vorgeschichte des Mannes, der wegen Drohungen vorbestraft war. «Warum werden wir solche Leute nicht los, bevor sie grosses Unheil anrichten? Es mag sein, dass die bisherige Rechtslage das nicht hergibt. Aber dann müssen diese gesetzlichen Regelungen eben geändert werden!»
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) machte im Interview des Nachrichtenportals «t-online» deutlich, dass er eine Aufarbeitung des Handelns der Behörden vor dem Anschlag erwartet. «Offensichtlich gab es über die Jahre immer wieder Hinweise auf den Mann. Meine Erwartung ist klar: Jetzt muss sehr genau geprüft werden, ob es Versäumnisse bei den Behörden in Sachsen-Anhalt oder auf Bundesebene gegeben hat. Da darf es keine falsche Zurückhaltung geben.»
In Magdeburg wird dazu das Sicherheitskonzept und damit auch die Absicherung von Flucht- und Rettungswegen untersucht. «Es wird aufgearbeitet, ob diese Massnahmen vom Veranstalter umgesetzt worden sind und wenn nicht, warum nicht. Gleiches gilt für die polizeiliche Einsatzkonzeption», sagte eine Sprecherin des Innenministeriums.
Warum gab es keine Stahlketten?
Der Täter Taleb A., der in Untersuchungshaft sitzt, war am Freitag vergangener Woche mit einem Auto über den Weihnachtsmarkt gerast. Dabei wurden fünf Menschen getötet und bis zu 235 verletzt. Der Mann aus Saudi-Arabien war zwischen einer Fussgängerampel und einer Betonblocksperre hindurchgefahren.
Bei den Ermittlungen geht es nun um viele Details. «Der Abstand zwischen Fussgängerampel und Betonblocksperre betrug zu beiden Seiten der Fussgängerampel jeweils rund sechs Meter», teilte das Innenministerium mit. «Es muss nun aufgearbeitet werden, ob das Sicherheitskonzept des Veranstalters des Weihnachtsmarkts so grosse Lücken in den Betonblocksperren an Fussgängerübergängen vorgesehen hat.»
Zudem gehe es darum, wieso Flucht- und Rettungswege – entgegen dem Sicherheitskonzept des Veranstalters – nicht mit Stahlketten gesichert gewesen seien. «Solche Stahlketten sollten Betonblocksperren auf grössere Entfernung verbinden. Sie sollten das flexible Öffnen für Durchfahrten von Rettungskräften und Feuerwehr ermöglichen», so das Innenministerium.
Polizeifahrzeug nicht an geplantem Standort
Neben den Ermittlungen zum Anschlag wird auch nach möglichen Fehlern in der Polizeiarbeit gesucht. Laut dem Innenministerium sah die Einsatzkonzeption neben Präsenzstreifen auch Fahrzeuge mit Eingreifkräften an vier Standorten um den Weihnachtsmarkt vor.
«Die Standorte waren nicht dafür vorgesehen, Gehwege oder Zugänge zum Weihnachtsmarkt permanent zu versperren und nur für Rettungskräfte und Feuerwehr zu öffnen», hiess es. Durch die Positionierung in der Nähe von einigen Zugängen zum Weihnachtsmarkt sollte demzufolge die Möglichkeit bestehen, gegebenenfalls mobile Sperren errichten zu können.
Doch nach dem jetzigen Stand der Aufarbeitung befand sich ein Fahrzeug in einer Parkbucht für Taxen und damit nicht an dem vorgesehenen Standort. «Warum dies so war, ist Gegenstand der weiteren Aufarbeitung», so eine Sprecherin des Innenministeriums.
Weihnachtsmarkt wird abgebaut
Unterdessen hat der Abbau des Magdeburger Weihnachtsmarkts begonnen. Händler und Fahrgeschäftsbesitzer luden ihre Hütten und grosse Einzelteile auf Anhänger. Nur wenige Meter entfernt legten viele Menschen auch eine Woche nach dem Anschlag weiterhin Blumen, Kerzen und Kuscheltiere im Gedenken an die Opfer ab.