Wieder ein Schweizer Doppelsieg mit neuem Gewinner
Auch in der dritten Abfahrt der Saison gibt es einen Schweizer Doppelsieg, in Bormio schlagen die Jungen zu: Alexis Monney schnappt Franjo von Allmen den ersten Weltcupsieg vor der Nase weg.
Er kam, als die Topfahrer schon unten waren und keine grossen Verschiebungen mehr an der Spitze erwartet wurden. Mit der Startnummer 19 nahm Monney die Piste «Stelvio» in Angriff und schien zunächst nicht voll in Fahrt zu kommen. Zwar sind die ersten beiden Zwischenzeiten grün, doch so hatte es seit Von Allmens Fahrt bei praktisch allen Athleten ausgesehen.
Dann aber, wo die vorherigen Konkurrenten Zehntelsekunde um Zehntelsekunde auf von Allmen verloren hatten, legte Monney richtig los. Bestzeit in Sektor 4, Bestzeit in Sektor 5 und Bestzeit in Sektor 6 ergaben auch Bestzeit im Ziel. Um 24 Hundertstel liess der 24-jährige Freiburger den 23-jährigen Berner hinter sich. Damit ist Monney nach Didier Défago 2011 der erst zweite Schweizer Weltcup-Abfahrtssieger in Bormio.
«Es ist verrückt, erklären kann ich es mir auch nicht ganz», sagte Monney, der mit den Rängen 10 in Wengen (2023) und 8 in Kitzbühel (2024) sein grosses Potenzial angedeutet hatte, sonst aber noch nie besser klassiert war. Was die drei Rennen gemeinsam haben: Sie gelten als unglaublich schwierig zu meistern. Vor allem in Bormio sagen viele Athleten, dass es in erster Linie darum gehe, heil unten anzukommen. Ihm sei es dagegen «fast zu einfach gegangen», erklärte Monney. «Im Ziel dachte ich zuerst, ich hätte nicht genug riskiert, um ganz vorne dabei zu sein.»
Trotz Schmerzen in der Ferse triumphiert
Dass ihm die Piste grundsätzlich liegt, hatte Monney bereits im ersten Training vom Donnerstag gezeigt, als ihm die drittschnellste Zeit gelang. Allerdings hatte er sich bei eben jener Fahrt auch weh getan. Beim San-Pietro-Sprung, der nach Protesten der Fahrer zweimal abgetragen wurde, sprang er weit und vor allem hoch. Danach hatte er Schmerzen in der Ferse, die er am Renntag mit Medikamenten etwas betäubte.
Als Monney am Freitag nach dem zweiten Training auf seinen humpelnden Gang angesprochen wurde, hielt er sich noch zurück. Es sei etwas passiert, ja, aber mehr wolle er dazu nicht sagen. Der Fokus sollte voll auf dem Rennen liegen. «So ist Alexis», sagte Justin Murisier über seinen auf den Tag genau acht Jahre jüngeren Teamkollegen. «Er macht nicht viel Lärm um sich selbst.» Dafür bringe er alles mit, was einen starken Abfahrer ausmache. Vor allem die nötige Coolness. «Er lässt sich nicht stressen, zieht sein eigenes Ding durch», so Murisier, der die erste Abfahrt der Saison in Beaver Creek gewann. Ein Einzelgänger sei Monney aber nicht, sondern ein sehr aufgestellter und angenehmer Typ.
Ähnlich äusserte sich auch Marco Odermatt, der in Val Gardena für den zweiten Schweizer Abfahrtstriumph sorgte. «Ich freue mich enorm für Alexis. Er war schon oft gut und wurde dennoch ein bisschen übersehen.» Das lag auch daran, dass mit Von Allmen ein weiterer junger Athlet kam, der in dieser und der letzten Weltcup-Saison noch ein bisschen mehr auf sich aufmerksam gemacht hatte.
Die Vorschusslorbeeren und der Druck
Dabei war Monney, der Juniorenweltmeister in der Abfahrt 2020, schon früh mit Vorschusslorbeeren überschüttet und sogar mit Beat Feuz verglichen worden. Vor gut zwei Jahren hatte Walter Reusser, CEO Sport von Swiss-Ski, gesagt, es sei keine Frage, ob Monney im Weltcup aufs Podest fahre, sondern wann. Eine Aussage, die Monney noch lange begleitete.
«Am Anfang hat es mich motiviert, dass der Glaube an mich so gross war», sagte Monney. «Später, vor allem im letzten Jahr, hat sich dadurch aber auch ein Druck aufgebaut, der eher ins Negative ging.» Die hohen Erwartungen nicht zuletzt von den Medien lasteten so fest auf ihm, dass es ihm nichts ausmachte, dass Von Allmen ihm den Rang als grösste Nachwuchshoffnung im Speed ablief. Vielmehr freute er sich, dass die Aufmerksamkeit auf jemand anderem lag.
Ohne den vollen Fokus auf seine Person konnte er es wieder entspannter angehen. Platz 13 in Beaver Creek war ein solider Beginn der Abfahrtssaison, Platz 36 in Val Gardena sicher eine leise Enttäuschung. Nun ist ihm in Bormio, auf der Olympiapiste von 2026, der grosse Befreiungsschlag gelungen. Dafür muss er in Kauf nehmen, wieder mehr im Rampenlicht zu stehen.
Überragendes Team-Ergebnis
In diesem Sinne ist es ein Glück für Monney, dass die Schweizer in dieser Saison ein überragendes Abfahrtsteam stellen. Nicht nur war es der dritte Doppelsieg in Folge, in Bormio trug von den Top 12 des Klassements die Hälfte das Schweizer Dress. Hinter Monney und Von Allmen belegten Odermatt und Murisier die Ränge 5 und 6; auf den drittplatzierten Kanadier Cameron Alexander fehlten ihnen bloss acht respektive neun Hundertstel.
Jedoch herrschte bei Odermatt vor allem Freude darüber, ohne Unfall im Ziel angekommen zu sein. Nach einem Verschneider hatte wenig gefehlt und der Nidwaldner wäre gestürzt. Sein Rettungsmanöver hatte zur Folge, dass sein Airbag aufging, was ihm die nötigen Hundertstel aufs Podest gekostet haben dürfte. «Das ist jedoch kein Vorwurf», hielt der 27-Jährige fest. «Es war alles andere als eine natürliche Bewegung, der Airbag musste aufgehen.»
Fast unter gingen Marco Kohlers 9. Rang, sein zweitbestes Weltcup-Ergebnis, sowie Stefan Rogentins Platz 12. Sie zahlen den Preis dafür, in einem Abfahrtsteam zu sein, von dem viele Nationen nur träumen können.