Österreich: Gespräche von FPÖ und ÖVP vor Start
Unter grossen Vorbehalten lässt sich die konservative ÖVP in Österreich auf Gespräche über eine mögliche spätere Regierungsbildung mit der rechten FPÖ ein.
Vor weiterführenden Treffen müssten wichtige politische Eckpfeiler vereinbart sein, sagte ÖVP-Chef Christian Stocker. Dazu gehöre vonseiten der Rechtspopulisten unter anderem das klare Bekenntnis zur EU, zur Rechtsstaatlichkeit und zur Pressefreiheit.
«Es muss ehrlich beantwortet werden, ob wir ein konstruktiver und verlässlicher Teil der Europäischen Union sein wollen oder das Gegenteil», sagte Stocker. Es müsse auch deutlich werden, ob sich Österreich an der freien Welt orientiere oder an Diktaturen, sagte der ÖVP-Chef mit Blick auf die Russland-Nähe der FPÖ, die auch der EU äusserst skeptisch gegenübersteht.
Die Parlamentswahl vor rund 100 Tagen hatte die FPÖ mit knapp 29 Prozent vor der ÖVP mit etwa 26 Prozent gewonnen. Damit haben die Rechtspopulisten die grosse Chance, mit FPÖ-Chef Herbert Kickl erstmals den Regierungschef zu stellen. Bündnisgespräche zwischen ÖVP, SPÖ und liberalen Neos sowie zwischen ÖVP und SPÖ waren jüngst gescheitert.
Wann das erste Gespräch zwischen Stocker und Kickl starten werde, wurde von der ÖVP zunächst nicht kommuniziert.
Stocker hält nichts von «Demütigungs-Ritualen»
Vor Beginn der bilateralen Kontakte hatte FPÖ-Chef Kickl zentrale Bedingungen gestellt. Die ÖVP müsse sein Credo von einer «ehrlichen Politik» teilen, sagte der Rechtspopulist. «Keine Spielchen, keine Tricks, keine Sabotage, keine Quertreiberei», warnte er.
Ausserdem wollte er von der ÖVP ein Eingeständnis, an der wirtschaftlich schwierigen Lage schuld zu sein. Er halte nichts von solchen «Demütigungs-Ritualen», sagte Stocker nun darauf. Zuletzt hatten die beiden Parteien in einer ÖVP-geführten Regierung von 2017 bis 2019 koaliert.
Die FPÖ hat bei den Gesprächen eine sehr gute Ausgangsposition. Laut Umfragen müsste sie im Fall des Scheiterns der Verhandlungen wahrscheinlich eine folgende Neuwahl nicht fürchten. Den Demoskopen zufolge könnten die Rechtspopulisten mit 35 Prozent, die ÖVP mit nur noch 20 Prozent rechnen.
Die sozialdemokratische SPÖ würde mit weniger als 20 Prozent wohl sowieso keine Rolle mehr spielen. Trotz dieser Aussichten erklärte Stocker, dass sich die ÖVP nicht vor Wahlen fürchte.
Schallenberg übernimmt Geschäfte des Kanzlers
Nachdem Kanzler Karl Nehammer am Freitag wie angekündigt von seinem Amt zurücktreten will, werde Aussenminister Alexander Schallenberg während der aktuellen Phase der Regierungsbildung geschäftsführend dessen Amt übernehmen. Das gab das Büro von Bundespräsident Alexander Van der Bellen bekannt.
Der ÖVP-Politiker Schallenberg will einer FPÖ-geführten Regierung nicht angehören. Der 55-Jährige dient seit 2019 als Chefdiplomat Österreichs – mit einer kurzen Unterbrechung: Auch Ende 2021 übernahm er in einer politischen Übergangsphase für einige Wochen das Kanzleramt.
Nun hat er die Aufgabe, das bisherige Kabinett aus Ministerinnen und Ministern von ÖVP und Grünen ebenfalls übergangsweise fortzuführen.