Odermatts vierter Triumph überstrahlt Meillards Glanzleistung
Marco Odermatt gewinnt zum vierten Mal in Folge den Riesenslalom in Adelboden. Die Freude fällt verhältnismässig verhalten aus. Denn einmal mehr ist Loïc Meillard der Leidtragende.
Fast schon entschuldigend nimmt Marco Odermatt die Gratulation von Luca de Aliprandini entgegen. Soeben hat Loïc Meillard, der Führende nach dem ersten Lauf, die Ziellinie überquert. Rot hinterlegt und mit einem Plus versehen sind die 0,20 Sekunden auf der Anzeigetafel. Während die Fans über einen Schweizer Doppelsieg jubeln, kann sich der Zweitplatzierte einen Frust-Schrei nicht verkneifen.
Odermatt steht beim Riesenslalom-Klassiker im Berner Oberland zum vierten Mal in Folge zuoberst auf dem Podest. Das schafften vor ihm nur Marcel Hirscher und Ingemar Stenmark, wobei der Schwede noch einen Sieg mehr auf dem Konto hat.
Der Zielhang bringt die Entscheidung
Odermatt hielt dem wie immer enormen Druck vor Heimpublikum einmal mehr stand. Im ersten Lauf noch verhalten losgelegt, hielt er den Rückstand auf seinen Teamkollegen mit einer starken Fahrt im Zielhang in Grenzen. Im zweiten Umgang führte der Nidwaldner die Entscheidung abermals im letzten Abschnitt herbei, wobei er bei der Einfahrt eine Schrecksekunde durchlebte. «Ich hatte Sauglück», schildert Odermatt die Szene. «Es hat mir die Ski verschlagen und ich konnte mich nur mit viel Glück retten.»
Zeit ging gegenüber Meillard nicht verloren. Im Gegenteil: Odermatt absolvierte den letzten Streckenteil 53 Hundertstel schneller als sein Teamkollege, der zwar ohne ersichtlichen Fehler blieb, gegenüber «Rennhund» Odermatt aber wohl zu brav unterwegs war.
Meillard schaffte es zum dritten Mal in Adelboden auf das Podest. Keine schlechte Bilanz, aber eben auch kein Vergleich zur Ausbeute von Odermatt. Es sollte die Versöhnung mit dem Chuenisbärgli werden, der absolute Triumph. Der 2. Rang dürfte sich deshalb erneut wie eine Niederlage anfühlen. «Es regt mich schon auf», sagt Meillard. Um gleich zu relativieren: «Aber wenn man sieht, wo ich herkomme in diesem Winter im Riesenslalom, kann ich zufrieden sein.» Zumal er am Tag zuvor im Slalom eingefädelt war und erstmals in dieser Saison ausschied.
Im Schatten des Dominators
Vier Jahre ist es her, seit Meillard in einem Riesenslalom besser klassiert war als Odermatt – wenn denn beide ins Ziel kamen. Ausgerechnet am Chuenisbärgli liess der Romand den Nidwaldner letztmals hinter sich. Zwei Hundertstel betrug die Differenz. War die 2 damals auf seiner Seite, hatte sie Meillard in der Folge etliche Male am Rücken.
Sieben Mal stieg der Edeltechniker seit besagtem Tag 2021 auf ein Riesenslalom-Podest. Zweimal wurde er Dritter, dreimal Zweiter. Stets gewann Odermatt. Bei Meillards beiden Siegen nahm sich der Dominator selbst aus der Entscheidung. Das Nacht-Rennen 2023 in Schladming liess Odermatt nach seinem Beinahe-Sturz in Kitzbühel aus. Beim Saisonfinale im vergangenen Winter in Saalbach schied Odermatt im zweiten Lauf als Führender aus.
An einem Ausfall war Odermatt auch am Sonntag nahe dran. Doch statt zum dritten Mal im fünften Riesenslalom dieser Saison ohne Punkte dazustehen, fuhr er den dritten Sieg ein. «Es sind nicht die gleichen Emotionen», so Odermatt mit ein wenig Abstand. «Aber es fühlt sich nicht weniger schön an.»