Franjo von Allmen lässt das Berner Oberland träumen
Nach seinen beiden Podestfahrten in dieser Saison wird Franjo von Allmen von den Organisatoren in Wengen als Hoffnungsträger der Region portiert. Der 23-Jährige tritt auf die Bremse.
Es wird Franjo von Allmen etwas unangenehm, wenn man mit ihm darüber spricht, dass er inzwischen zum Favoritenkreis der Abfahrer gehört. Er fühlt sich dann bemüht, zu relativieren und darauf hinzuweisen, dass es erst seine zweite Weltcupsaison sei. Ihm fehle noch die nötige Erfahrung, die auf einer Strecke wie der in Wengen ein wichtiger Faktor sei, um zu den ständigen Podestanwärtern zu zählen.
Von Allmen kennt aber auch die Mechanismen des Profisports. Wer in zwei Abfahrten hintereinander Zweiter wird, steht automatisch im Fokus der Öffentlichkeit. In Von Allmens Fall sind es nicht nur die Medien, sondern auch die Organisatoren der Rennen in Wengen, die hohe Erwartungen schüren. Sie verschickten kurz nach den Rennen in Bormio eine Mitteilung, wonach das Berner Oberland dank Von Allmen vom ersten Weltcupsieg seit 22 Jahren träume.
Von Allmen Nachfolger von Bruno Kernen, der am 18. Januar 2003 (Von Allmen war damals eineinhalb Jahre alt) als letzter Berner Oberländer in Wengen gesiegt hat? Dieses Bild geht dem jungen Athleten dann doch etwas zu weit. «Ja, es waren zuletzt gute Resultate. Aber deswegen gleich die nächsten Podestplätze zu erwarten, geschweige denn den Sieg, wäre fast schon frech», sagt Von Allmen.
Die Sache mit dem Druck
Es ist verständlich, dass junge Athleten den Druck von sich wegschieben möchten. Hohe Erwartungen können einen Nachwuchsfahrer zwar auf dem eingeschlagenen Weg bestätigen, sie können ihn aber auch lähmen, wie vor ein paar Wochen Von Allmens ein Jahr älterer Teamkollege Alexis Monney erläuterte.
Monney hatte vor rund zwei Jahren als grösste Nachwuchshoffnung im Schweizer Speedteam gegolten. Weil sich die guten Resultate aber nicht sofort einstellten, wurde er in der letzten Saison zunehmend von Von Allmen in den Schatten gestellt. So war es denn beispielsweise auch der junge Berner, der auf diese Saison hin als zweiter Skirennfahrer nach Überflieger Marco Odermatt einen lukrativen Vertrag mit dem Getränkekonzern Red Bull abschloss.
Monney war derweil ganz froh, dass sich der Fokus etwas verlagert hatte. So konnte er abseits des Scheinwerferlichts an sich arbeiten. Und siehe da: In der Altjahreswoche in Bormio schnappte er Von Allmen den ersten Weltcupsieg vor der Nase weg. 24 Hundertstel hatten auf der Piste «Stelvio» zugunsten Monneys entschieden.
Den knapp verpassten Sieg in Bormio konnte Von Allmen locker verkraften. Zum einen gönnte er es seinem Teamkollegen, zum anderen scheint es angesichts seiner Leistungen ohnehin nur eine Frage der Zeit, bis auch er einmal ganz oben auf dem Podest stehen wird. Jeder mache seinen eigenen Weg, so Von Allmen. «Ich setze mich selbst nicht unter Druck und nehme alles Schritt für Schritt.» An diesem Mantra hält er in dieser Saison eisern fest.
In Wengen «quasi dehim»
Jedenfalls blieb Von Allmen seiner Unbekümmertheit treu und genoss die freie Zeit nach dem Jahreswechsel unter anderem bei einem «Retro-Event» auf dem Jaunpass im Achtziger-Jahre-Outfit und auf Holzski. Nach der kleinen Pause steht bis zur WM in Saalbach ein dichtes Programm an. Es beginnt mit Wengen, das für Von Allmen «quasi dehim» ist, wie er in den Sozialen Medien schreibt.
Er ist in Boltigen im Obersimmental aufgewachsen, hat aber auch Wurzeln in Lauterbrunnen. An Unterstützung wird es jedenfalls nicht mangeln. Von Allmens rasant wachsender Fanclub zählt mittlerweile gut 600 Mitglieder. Im Super-G am Freitag werden zudem Schülerinnen und Schüler aus Boltigen auf der Tribüne für Stimmung sorgen.
Im letzten Jahr erlebte Von Allmen am Lauberhorn ein Auf und Ab. Zunächst wurde er in der Sprint-Abfahrt nach Marco Kohlers Sturz mit der Nummer 36 abgewunken und musste mit dem Helikopter zurück an den Start gebracht werden. Trotzdem fuhr er danach noch auf den starken 14. Platz. Tags darauf schied er im Super-G aus, ehe er am dritten Renntag auf der Originalstrecke der Abfahrt nochmals Rang 14 erreichte.
In diesem Jahr strebt Von Allmen eine Verbesserung an. «Mit einem Top-10-Platz wäre ich schon sehr glücklich», hält er fest. Insgeheim dürfte er sich sogar noch etwas mehr erhoffen, auch wenn ihm der Gedanke ans Podest «frech» erscheint. Mit 23 Jahren dürfte man aber auch ein bisschen frech sein.