Für Verlage, Handel und Leserinnen ist New Adult mehr als das Buch
Das Buch-Genre New Adult ist für die Branche ein Glücksfall. Messeauftritte eigens für das Genre erinnern an Taylor-Swift-Konzerte, Autorinnen gehen auf Tournee, es gibt kleinere Festivals - denn die Leserinnen zeigen sich als äusserst kauffreudige Sammlerinnen.
8000 Quadratmeter wurden dem New-Adult-Genre auf der grössten Buchmesse der Welt zugestanden: Die Halle 1.2 auf dem Frankfurter Messegelände gehörte vergangenen Oktober den Romanen mit den pastellfarbenen Umschlägen; ihren Autorinnen, die zigfach auf der Bühne sassen und über ihre Arbeit sprachen; und den Fans, die teilweise stundenlang Schlange standen, um ein Autogramm ihrer Idole zu erlangen.
Es hätte auch ein Taylor-Swift-Konzert sein können. Frauen im Alter von etwa 20 Jahren waren es vor allem, die in die Halle gelangen wollten. Viele von ihnen trugen Armbänder. Und ähnlich wie bei Pop-Alben ist auch mit New-Adult-Büchern nicht nur mit den eigentlich Produkten Geld zu machen, sondern auch mit dem ganzen Drumherum. Das Genre gebe der Buchbranche Aufschwung, hiess es im Umfeld der Messe. Der Wachstumsbereich New Adult explodiere nahezu, liessen die Messeveranstalter verlauten.
Millionen Fans auf Social Media
Ein Abstecher in die USA: Nur wenige Wochen zuvor hatte der US-Verlag Atria vom Verlagshaus Simon and Schuster den zehnmillionsten Verkauf von Colleen Hoovers «It Ends with Us» gemeldet. Das mittlerweile verfilmte Buch habe sich 169 Wochen auf der Bestsellerliste gehalten, hiess es darüber hinaus. Und: Der Erfolgsautorin Colleen Hoover folgten fast 4,5 Millionen Fans auf ihren Social Media Plattformen. Insgesamt sollen sich ihre Werke 35 Millionen mal verkauft haben.
Colleen Hoover schreibt seit über elf Jahren New-Adult-Romane, fast so lange, wie man von diesem Genre spricht. Erst nur in den USA. Der Trend schwappte aber bald nach Europa über, wo einige Verlage früh reagierten. Ullstein Buchverlage etwa feiern dieses Jahr das zehnjährige Bestehen des Romance-Imprints Forever. Es war eines der ersten Programme auf dem deutschen Markt, das sich auf Liebesgeschichten für und über junge Erwachsene konzentrierte. Auch das Verlagshaus Piper hat nach eigenen Angaben bereits 2014 New-Adult-Romane veröffentlicht, selbst «wenn es die Genrebezeichnung damals vielleicht noch nicht so gab».
Genaue Zahlen fehlen derzeit noch zum Genre New Adult und seine Subgenres, beispielsweise Romance oder Fantasy. Die Verlage halten sich bedeckt. «New Adult ist in der Buchbranche insgesamt ein wichtiger Faktor. Wie sehr, zeigt sich sicherlich auch in der Präsenz auf der Buchmesse», heisst es zum Beispiel beim Verlag Piper.
Neuer Verlag, neues Konzept
Bei der Penguin Random House Verlagsgruppe, die mit Verlagen wie Blanvalet, Heyne oder Penhaligon schon viel New Adult herausbringt, ist in diesen Tagen mit Heartlines ({heartlines}) ein neuer Verlag gestartet, mit neuem Konzept. Veröffentlicht wird sogenannte True Fiction, Romane mit fiktiven Elementen, die auf wahren Geschichten basieren.
Storys dafür kommen sozusagen aus erster Hand, von Storygeberinnen und -gebern, die unter anderem über den Instagramkanal @penguinlovestories generiert werden. Bekannte Autorinnen und Autoren, als auch neue Stimmen, so lautet der Plan, schreiben die lebensnahen Geschichten mit hohem Identifikationspotenzial auf. Auf dem Cover erscheinen die Namen der Schreibenden sowie der Storygeberinnen. Letztere erhalten ein Honorar.
Die Kadenz ist hoch: Beim neuen Verlag sollen monatlich neue True-Fiction-Romane erscheinen. Der erste Roman des neuen Imprints «Your Eyes on Me» wurde von Leonie Lastella nach der wahren Geschichte von Storygeberin Alexa geschrieben: Sie hatte über Jahre mit Bodyshaming im engsten Umfeld zu kämpfen – und inspirierte damit zur Protagonistin Alea. Das Buch gibt es ab 22. Januar im Deutschschweizer Buchhandel.
Bücher mit viel Drumherum
Leserinnen von New Adult, es sind meist junge Frauen, suchen auch abseits der Buchmesse die Nähe zu Autorinnen und deren Büchern. Und sie stellen sich als fleissige Sammlerinnen heraus. Darauf reagieren Verlage unterschiedlich, etwa mit eigens gestalteten Büchern mit haptischen Covern oder mit Sondereditionen oder auch mit Events und viel Merchandise.
«Bei KYSS veröffentlichen wir nicht nur Bücher – wir schaffen ein Zuhause für unsere Leser:innen und Autor:innen», schreibt etwa der Rowohlt-Verlag, der seinen Imprint Kyss 2018 gründete. Was nichts anderes heisst als: Mit dem Drumherum lässt sich im New-Adult-Hype Geld verdienen. Kleine Festivals werden veranstaltet, Penguin Randomhouse geht seit 2023 mit seinen Autorinnen sogar auf Tournee – mit dem «it.Love-Tourbus». Forever, das New Adult Imprint von Ullstein, unterhält einen eigenen Spreadshop mit Merchandise zu den Büchern. Angeboten werden Charakterkarten, Postkarten, auf denen Protagonisten abgebildet sind, die häufig der Erstauflage beiliegen; oder Baumwollbeutel, Pullover und T-Shirts mit Sprüchen aus den Büchern.
Piper bietet auf dem Spreadshop «fully booked by Piper & everlove» Merchandise wie Mützen oder Taschen sowie Buttons oder Sticker an. Bei Veranstaltungen zu New-Adult-Romanen gibt es für Besucherinnen Goodie Bags, deren Inhalt individuell auf das Event oder einen Roman abgestimmt wurde.
Eigene Abteilungen in den Buchläden
Auch der Deutschschweizer Buchhandel hat das Potential von New Adult längst erkannt – und mit eigenen Abteilungen für diese Genre reagiert. Diese werden immer grösser und die entsprechenden Umsätze steigen zweistellig.
Eigenständige Verkaufszahlen zu New Adult existieren zwar noch nicht, aber «die Relevanz des Genres ist hoch», sagt etwa Alfredo Schilirò, Pressesprecher von Orell Füssli Thalia (OFT). Als grösster Buchhändler der Schweiz investiert OFT einiges, um junge Leserinnen und Leser bei der Stange zu halten.
«Die Zielgruppe ist eine sehr treue Leserschaft und kommt immer wieder, wenn sie sich in der Buchhandlung mit ihren Bedürfnissen abgeholt fühlt.» Das New Adult-Publikum, so Schilirò, kaufe Bücher oft mehrfach – einmal zum Lesen und einmal, um das Büchergestell zu «dekorieren». Farbschnitte bei den Büchern beispielsweise spielten hier eine grosse Rolle.
Ein Ende des Trends ist nicht abzusehen. Die Zukunft, so scheint es zumindest im Moment, ist rosa.*
*Dieser Text von Nina Kobelt, Keystone-SDA, wurde mithilfe der Gottlieb und Hans Vogt-Stiftung realisiert.