Kongo-Rebellen: Goma eingenommen – UN: Kämpfe in allen Stadtteilen
Nach tagelangen schweren Kämpfen im Osten der Demokratischen Republik Kongo will die Rebellenmiliz M23 die wichtige Provinzhauptstadt Goma eingenommen haben. Das teilte sie in einer Presseerklärung mit. Eine Bestätigung durch die Armee oder die Regierung in Kinshasa gab es dafür zunächst nicht. Die Vereinten Nationen berichteten, dass in der Stadt noch immer gekämpft werde. Einwohner sprachen ebenfalls von Schüssen. Zudem gebe es Plünderungen.
«Die Kämpfe dauern noch an. Es ist sehr, sehr unbeständig. Es ist noch nicht vorbei», sagte der humanitäre Koordinator der Vereinten Nationen für die Demokratische Republik Kongo, Bruno Lemarquis. Aktive Kampfzonen hätten sich auf alle Viertel der Stadt ausgeweitet. Die Rebellen werden UN-Angaben zufolge dabei allem Anschein nach von ruandischen Soldaten unterstützt.
UN: Tote in Entbindungskrankenhaus
Zivilisten seien dabei besonders bedroht unter anderem durch Artilleriefeuer wie am Montagmorgen, so Lemarquis weiter. «Zum Beispiel trafen mehrere Granaten das karitative Entbindungskrankenhaus im Zentrum von Goma und töteten und verletzten Zivilisten, darunter Neugeborene und schwangere Frauen.»
Anwohner berichteten derweil, in Goma seien Kämpfer der M23 zu sehen, ebenso wie Soldaten der Armee mit weissen Flaggen, die ihre Waffen und Fahrzeuge verliessen. Lediglich im Stadtzentrum würden die Kämpfe andauern, hiess es. «Es stimmt, dass die M23 in Goma eingedrungen ist, aber ich bin nicht sicher, dass sie die gesamte Stadt kontrollieren», sagte der Polizeibeamte Stanley Mugisho der Deutschen Presse-Agentur.
In der rohstoffreichen Provinz Nord-Kivu kämpft die M23 seit Jahren gegen kongolesische Regierungstruppen und mit ihr verbündete Milizen. In den vergangenen Wochen konnte die M23 massive Gebietsgewinne verzeichnen, sie eroberte auch in der Nachbarprovinz Süd-Kivu Ortschaften. Die Millionenstadt Goma war bereits praktisch von ihr umzingelt.
Grosse Sorge in der Region – Sondergipfel geplant
Die sich zuletzt zuspitzende Situation löste eine Massenflucht der Zivilbevölkerung aus. Binnen drei Wochen sind nach UN-Angaben von Ende vergangener Woche 400.000 Menschen vertrieben worden.
Der jüngste Konfliktverlauf sorgte auch in der Region und international für Aufmerksamkeit. Kenias Präsident William Ruto, derzeit Vorsitzender der ostafrikanischen Staatengemeinschaft EAC, kündigte am Sonntagabend einen Sondergipfel innerhalb von 48 Stunden an, um über die Situation zu beraten. Zugleich forderte er die sofortige Einstellung der Kämpfe. Sowohl Ruanda als auch die Demokratische Republik Kongo sind EAC-Mitglieder.
Gegenseitige Vorwürfe DR Kongos und Ruandas
Sowohl die Regierung in Kinshasa als auch UN-Experten werfen dem Nachbarland Ruanda vor, die M23 zu unterstützen und auch eigene Truppen im Ostkongo zu haben. In Berichten des UN-Expertenteams zur DR Kongo ist seit vergangenem Sommer von einer Präsenz von mehr als 1.600 ruandischen Soldaten auf kongolesischem Boden die Rede.
Der für Friedenseinsätze zuständige UN-Vertreter Jean-Pierre Lacroix sagte: «Ich denke, es besteht kein Zweifel daran, dass ruandische Truppen in Goma sind, die die M23 unterstützen.» Schätzungen gingen von 3.000 bis 4.000 Soldaten aus.
Auf einer Sondersitzung des UN-Sicherheitsrats am Sonntag (Ortszeit) hatte die kongolesische Aussenministerin Thérèse Kayikwamba Wagner das Eindringen ruandischer Soldaten in den Ostkongo eine «Kriegserklärung» genannt und erneut Sanktionen gegen Ruanda gefordert, darunter ein Embargo auf Mineralienexporte aus dem Land.
In einer Stellungnahme des Aussenministeriums Ruandas wird dagegen eine defensive Haltung des Landes zum Schutz seiner Sicherheit und territorialen Integrität betont, die durch die Kämpfe nahe seiner Grenze bedroht seien.
«Horrornacht» in Goma
Die meisten Hilfsorganisationen, die in Goma arbeiten, haben ihr internationales Personal aus der Stadt abgezogen. «Unsere lokalen Mitarbeiter vor Ort sprechen von einer Horrornacht in Goma», sagte Ursula Langkamp, Leiterin des Büros der Welthungerhilfe in Goma, der Deutschen Presse-Agentur.
Die ganze Nacht hindurch seien Schüsse und Detonationen zu hören gewesen. Die Menschen hätten sich in ihren Häusern verschanzt und wagten sich nicht auf die Strasse. Auch die meisten Geschäfte seien geschlossen. Der Sitz des Provinzgouverneurs, der neben dem Büro liege, sei geplündert worden, so Langkamp.