«Ich hatte Todesangst um mein Kind»
Der vierjährige Sebastian sitzt auf einem Kindertraktor und sagt: «Ich bin oben durchgelaufen und habe einen Wolf gesehen. » Seine Mutter Helen Rhyner Luchsinger steht daneben und erzählt vom einschneidenden Erlebnis. Auch ihre Schwiegermutter und die Kollegin Barbara Bäuerle, die beide dabei waren, haben sich vor dem Stall des Hofes Oberhaus in Elm versammelt, um über die Wolfsbegegnung zu sprechen.
«Es war ein Gefühl der extremen Machtlosigkeit»
Zunächst war es ein ganz normaler Morgen auf dem landwirtschaftlichen Betrieb Oberhaus in Elm. Helen Rhyner Luchsinger hat gerade nach den Tieren im Stall gesehen und plaudert nun mit ihrer Kollegin Barbara Bäuerle und ihrer Schwiegermutter vor dem Stall. Ihre zwei Kinder, der vierjährige Sebastian und die zweijährige Valeria, spielen wie immer draussen. Sebastian rutscht hinter dem Hof im Schnee den Hang hinunter. Gegen 11 Uhr sieht die Gruppe zwei Wölfe oberhalb des Hofes die Strasse entlang spazieren. «Wir haben noch gesagt: ‹Hei, mitten am Tag, vor dem Mittag, laufen die einfach hier oben durch›», sagt Rhyner Luchsinger.
Es folgt die erschreckende Erkenntnis: Sebastian, der am Hügel im Schnee spielt, ist nur etwa 50 Meter von den Wölfen entfernt. «Sebastian hat die Wölfe vor uns gesehen, bekam Angst und ist in unsere Richtung losgerannt», sagt Rhyner Luchsinger. «Einer der beiden Wölfe ist dann ihm hinterhergelaufen », erzählt die Mutter weiter. Der andere Wolf sei stehen geblieben und habe die Situation beobachtet. «Wir haben nur noch geschrien und geschrien und sind gerannt und gerannt », berichtet Rhyner Luchsinger. Mit «wir» meint sie sich und ihre Kollegin Barbara Bäuerle. «Ich hatte Todesangst um mein Kind», sagt Helen Rhyner Luchsinger.
Kanton Glarus reagiert
«Es war ein Gefühl der extremen Machtlosigkeit», sagt Barbara Bäuerle mit heiserer Stimme. Sie hätten zu dritt gerufen und der Nachbar sei mit dem Auto zum Hof gefahren. «Aber die zwei Wölfe reagierten nicht», so Rhyner Luchsinger. Erst als das Kind in den Armen der Mutter angekommen und nicht mehr gerannt sei, sei der Wolf nicht mehr weiter hinterhergelaufen. Die beiden Wölfe seien dann gemütlich wieder hochgegangen, sagt Rhyner Luchsinger.
Um Elm hat es im Januar immer wieder Sichtungen von Wölfen gegeben. Man habe gewusst, dass die Wölfe in der Umgebung seien, sagt Rhyner Luchsinger. Man habe den Kindern immer gesagt, solange Erwachsene in der Nähe seien, müssten sie keine Angst haben. «Das ist für mich jetzt nicht mehr der Fall», sagt die Elmerin. Helen Rhyner Luchsinger schreibt über das Erlebte in einem offenen Brief an den Regierungsrat. Auf den sozialen Medien verbreitet sich dieses Schreiben rasant. Am vergangenen Freitagmorgen teilt der Kanton Glarus mit, dass er eine sofortige Abschussverfügung für zwei Wölfe erlässt (wir berichteten). Seit Mitte Dezember 2024 habe es immer wieder Sichtungen von Wölfen in Siedlungsnähe in Engi, Matt und Elm gegeben. Darunter auch die Sichtung von Stefan Androschin, der einen Wolf vor seiner Haustüre in Matt sitzen sah. Der Entscheid des Kantons sei für sie eine grosse Erleichterung, sagt Rhyner Luchsinger. Aber es gebe um Elm noch viele andere Wölfe. Die Angst bleibe darum weiterhin. «Ich appelliere, dass sie dranbleiben an der Wolfsregulierung », sagt Rhyner Luchsinger.
Am vergangenen Donnerstag hat Helen Rhyner Luchsinger gesehen, dass ein Wolf ihrem Sohn gefährlich nahe kam (wir berichteten). Die Mutter erzählt nun, wie sie den «Albtraum» bei ihrem Hof in Elm erlebt hat.
«Es war ein Gefühl der extremen Machtlosigkeit.»
Helen Rhyner Luchsinger
Mutter des vierjährigen Sebastian