Dior gegen Katar: Kommt bald das Pariser Derby?
Fast jede europäische Metropole hat mindestens zwei grosse Fussballklubs: Madrid hat Real und Atlético, Berlin die Hertha und Union, in Mailand konkurrieren Inter und Milan, in Rom Lazio und die Roma, in Lissabon Sporting und Benfica, in Istanbul Fenerbahçe, Galatasaray und BeÅiktaÅ, und London hat gleich eine ganze Handvoll Topklubs: Arsenal, Chelsea, Fulham, West Ham, Tottenham. Die einzige Stadt, die nur einen Eliteklub hat, ist Paris: In der Hauptstadt monopolisiert PSG den Spitzenfussball. Und das, obwohl die «Ville Lumière» eigentlich die Fussball-Welthauptstadt ist: 1904 wurde hier die Fifa gegründet; der Europapokal der Landesmeister, aus dem die Champions League erwuchs, ging auf einen Entwurf des «L’Équipe»-Journalisten Gabriel Hanot zurück.
Red Bull nun auch in Paris
Doch die Vormachtstellung von Paris Saint-Germain, das seit dem Einstieg des katarischen Staatsfonds zu einer Nobeladresse in Europa aufgestiegen ist, droht zu bröckeln: Der Multimilliardär Bernard Arnault, Chef des Luxusgüterkonzerns LVMH und reichster Mann Frankreichs, ist zusammen mit dem Energydrink-Hersteller Red Bull beim Zweitligisten Paris FC eingestiegen. Arnault, der 1949 in Roubaix, dem Armenhaus Frankreichs, geboren wurde, hat über die Jahre ein gigantisches Imperium aufgebaut, zu dem Luxusmarken wie Louis Vuitton, Dior und Hublot gehören. Der Paris FC könnte unter dem Dach der Familien- Holding und der Red-Bull-Fussball-Kette als Konkurrenz zu PSG aufgebaut werden.
Der Zweitligist, der seine Heimspiele im Stade Charléty im 13. Pariser Arrondissement unweit des Studentenwohnheims «Cité U» austrägt, fristet ein Schattendasein – vor ein paar Jahren waren lediglich ein paar Hundert Zuschauer bei den Heimspielen. Dank der Freikarten, die der Klub verteilt – die Heimspieltickets sind in dieser Saison kostenlos –, sind die Ränge gut gefüllt. Auch Antoine Arnault, Chef der Luxusmarke Berluti und Sohn des reichen Firmenpatriarchen, liess sich schon auf der VIP-Tribüne blicken – sogar im Fanschal, obwohl der älteste Spross der Familiendynastie seit Kindesbeinen PSG-Fan ist. Arnault Junior, der die Familie im Verwaltungsrat des Vereins vertreten wird, ist überzeugt, dass es in Paris Raum für zwei grosse Klubs gibt. Aktuell liegt Paris FC aussichtsreich auf Platz 2 der Ligue 2 und damit auf einem Aufstiegsrang – drei Punkte hinter Spitzenreiter Lorient.
Mit Macron per Du
Der Patron, der korsische Geschäftsmann Pierre Ferracci, der in der Politik bestens vernetzt und ein Duzfreund von Präsident Emmanuel Macron ist (sein Sohn studierte gemeinsam mit Macron an einer Elitehochschule), hat den Klub seit seinem Einstieg 2012 professionalisiert: Er holte Berater, zog namhafte Sponsoren wie den Baukonzern Vinci an Land und eröffnete 2019 ein Jugendleistungszentrum in Orly. 2020 übernahm der Staatsfonds von Bahrain für 25 Millionen Euro 20 Prozent der Anteile des Vereins. Dank der Millionen aus dem Morgenland verfügt Paris FC über einen der höchsten Etats in der zweiten Liga.
Dem Klubeigner gelang es so-gar, die brasilianische PSG-Legende Raí als Botschafter und Minderheitsaktionär zu gewinnen. Ferracci, der nach der Übernahme 30 Prozent der Anteile halten wird, setzte mit seinem hemdsärmeligen Führungsstil auch den Umzug ins Stade Jean-Bouin ins schicke 16. Arrondissement durch. Ab der kommenden Saison wird Paris FC dort in unmittelbarer Nähe des Prinzenparks seine Heimspiele austragen. Die Fans würden im Falle eines Aufstiegs in die Ligue 1 mitziehen, aber nicht um jeden Preis: «Wir wollen nicht Red Bull Paris werden», betonte der Sprecher der Ultras Lutetia. Andererseits: Dem Bling-Bling-Ensemble am anderen Seine-Ufer würde man schon gern mal zeigen, wo der Hammer hängt.
Der Absturz von Red Star
Dass es in einer Stadt mit 11 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern nur einen Eliteklub gibt, hat historische Gründe. Der eigentliche Traditionsverein von Paris ist Red Star. Der Kultklub, der 1897 vom späteren Fifa-Präsidenten Jules Rimet gegründet wurde, holte zwischen 1921 und 1942 fünfmal die Coupe de France, verschwand nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs aber von der Bildfläche. 1967 fusionierte der «rote Milliardär», der Agro-Tycoon Jean-Baptiste Doumeng, Red Star mit Toulouse. Das wäre ungefähr so, als würde man die New York Yankees aus der Bronx nach Los Angeles verpflanzen. Die Zwangsehe wurde wenig später geschieden. Red Star spielt heute im legendären Stade Bauer, doch die Geschichte scheint sich zu wiederholen: Der Investor, der US-Hedge-fonds 777 Partners, der auch bei Everton, Hertha BSC und Standard Lüttich eingestiegen ist, ist insolvent.
1969 hatte Paris gar keinen Erstliga-Klub mehr. Der französische Fussballverband tat daraufhin das, was man im zentralistischen und dirigistischen Frankreich gerne tut: Er setzte eine Kommission ein. Der Paris Football Club war geboren. Ein Jahr später fusionierte der Paris FC mit dem Vorstadtklub Stade Saint-Germain, aus dem später PSG hervorgehen sollte. Ironie der Geschichte: Der Paris FC trug anfangs seine Spiele im Prinzenpark aus, also der Heimspielstätte jenes Klubs, den er heute rivalisieren soll. 1972 wurde der Klub aufgespalten, weil die Stadtverwaltung von Paris die Spielerlaubnis im Prinzenpark für den Klub verweigerte, den sie als zu «banlieusard» empfand (bis heute weigert sich die Stadtverwaltung unter Bürgermeisterin Anne Hidalgo, das Stadion an die Kataris zu verkaufen). PSG und Paris FC gingen getrennte Wege – und kick-ten fortan in unterklassigen Ligen. Schon seit Jahrzehnten gibt es immer wieder Versuche, einen zweiten grossen Pariser Klub aufzubauen. In den 1980ern, lange bevor PSG die grosse Bühne betrat, stieg der Industrielle Jean-Luc Lagardère mit seinem Konzern Matra beim Traditionsklub Racing Club de France ein. Trotz millionenschwerer Investitionen – unter anderem wurde Pierre Littbarski geholt – scheiterte die Mission. Als der Staat in den Neunzigerjahren einen Mieter für das neugebaute Stade de France suchte, gab es zwar viele Interessenten (unter anderen Red Star und Racing), aber keine Einigung. Nun also unternimmt der Milliardär Arnault einen erneuten Versuch, einen zweiten Hauptstadtklub zu etablieren. Vielleicht bekommt Paris ja doch noch ein echtes Derby. Dann hiesse es: Luxus gegen Luxus, Dior gegen Katar.
Paris soll einen zweiten grossen Fussballklub bekommen: Ein Konsortium hat mit Brausehersteller Red Bull den Paris FC übernommen und will nun bald Paris Saint-Germain Konkurrenz machen.
«Wir wollen nicht Red Bull Paris werden.»
Ultras Lutetia
Fanorganisation des Paris FC
25 Millionen Euro
investierte der Staatsfonds von Bahrain in den Paris FC und hält nun 20 Prozent der Klubanteile.